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Arbeiten nach langstreckenflug

Arbeiten nach Langstreckenflug: Tipps gegen den Jetlag und ein Erfahrungsbericht

Produktivität Erstellt am: 19. Februar 2020 8 Min.

Nach einem ausgedehnten Urlaub inklusive Langstreckenflug gleich wieder arbeiten zu gehen, ist keine gute Idee. Das durfte ich kürzlich am eigenen Leib erfahren und teile meine Erfahrungen mit euch in diesem Artikel. Außerdem erklärt ein Flugarzt, warum der Jetlag überhaupt entsteht, und verrät, was man dagegen tun kann.

Gerädert. So ähnlich muss man sich fühlen, wenn man gerädert wurde. Es ist Donnerstag, ich bin seit zwei Tagen wieder in unserer Zeitzone, seit gestern wieder im Büro und fühle mich hundsmiserabel. Dabei sollte ich doch erholt sein nach dem Urlaub – aber von Anfang an:

Arbeiten gehen nach Langstreckenflug: Mein Erfahrungsbericht #

Ein toller Florida-Urlaub liegt hinter mir, erlebnisreich, aber auch sehr erholsam. Ganz anders die Heimreise: Abflug um 16:30 Uhr Ortszeit in Miami. Eigentlich cool. Was ich jedoch nicht einberechnet hatte: Mit einer Flugdauer von knapp zehn Stunden landeten wir genau zu einer Zeit, in der ich im Urlaub ins Bett gegangen wäre. Als ich im Flieger also endlich müde wurde und so langsam wegdöste, hieß es: „Wir befinden uns im Landeanflug auf Paris. Bitte stellen Sie die Sitze aufrecht.“ – Na, klass … Auf meiner inneren Uhr, die sich gerade erst an Miami-Zeit gewöhnt hatte, war es bei der Landung kurz nach ein Uhr früh, in Paris allerdings schon sieben Uhr und kurz vor Sonnenaufgang. „Nachtruhe“ war heute leider aus.

Gleich nach dem Urlaub wieder in die Arbeit: Ein Fehler! #

Mittlerweile ziemlich müde hieß es dann umsteigen in den nächsten Flieger nach Wien. Schlafen war aber weder in den zwei Stunden Umstiegszeit noch während des eineinhalbstündigen Fluges möglich – in Wien angekommen war es nun schon Mittag und wir traten die Heimfahrt nach Linz an. Nach über 26 Stunden auf den Beinen kamen wir um 16 Uhr endlich daheim an. Ich erinnere mich wage daran, dass meine Kolleginnen vor Kurzem in so einem Zustand arbeiten waren … Ich könnte das in diesem Moment nicht. Den restlichen Tag verbringen wir mit schlafen, essen und wieder schlafen – bis am nächsten Morgen um 6:30 Uhr Ortszeit (0:30 laut innerer Uhr) erbarmungslos der Wecker klingelt. Weil so viel zu tun ist und auch, um Urlaubstage zu sparen, hab ich mir nach meiner Ankunft keinen Tag länger freigenommen. Ein Fehler.

Wenn der Jetlag voll reinhaut … #

Müde geh ich also zur Arbeit und nehme mir vor: Heute wirds nicht lang! Eine vergessene Einschulung macht mir einen Strich durch die Rechnung und so wirds halb fünf und damit so lang wie sonst eigentlich auch. Jetzt heim und ausschlafen, denk ich mir! Mein Körper darauf so: Nö. Die Zeitverschiebung lässt grüßen und mich trotz Müdigkeitsfaktor Tausend bis spät in die Nacht nicht schlafen. Selten habe ich meinen Wecker so gehasst wie am nächsten Morgen.

„Selten habe ich meinen Wecker so gehasst wie am nächsten Morgen.“

Und hier sitz ich nun. Es ist Donnerstag, der Jetlag haut jetzt richtig rein und ich will eigentlich nur heim ins Bett. Mein Kalender und meine To-do-Liste haben sich aber gegen mich verschworen und halten mich im Büro fest. Hätte ich dem entgehen können? Und wie viel Zeit muss man nach einem Urlaub mit Langstreckenflug einplanen, um wieder richtig fit zu sein? Bei meiner Recherche stoße ich auf Flugarzt Dr. Marcus Mairinger und frage ihn, was ich künftig besser machen kann:

Der Flugarzt empfiehlt: Tipps rund um Jetlag und Langstreckenflüge #

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Fliegerarzt Dr. Marcus Mairinger

Dr. Mairinger ist Flugmediziner – ich wusste bis dato nicht, dass es sowas gibt – und war lange im Aeromedical Center in Frankfurt für die Gesundheit des Flugpersonals zuständig. Er selbst hat damals viele Langstreckenflüge mitgemacht, um die Belastung des fliegenden Personals zu eruieren. Ich möchte von ihm wissen, warum der Jetlag so ein Biest ist und ob man ihn vermeiden kann.

Was ist ein Jetlag? Eine Definition #

Herr Dr. Mairinger, was ist eigentlich ein Jetlag?

Dr. Marcus Mairinger: Ein Jetlag ist eine Störung der Leistungsfähigkeit, des Wohlbefindens und der Befindlichkeit aufgrund einer Desynchronisation zwischen inneren und äußeren Zeitgebern nach dem Reisen über mehrere Zeitzonen. Er entsteht hauptsächlich beim Überfliegen mehrerer Längsmeridiane in der Phase der Wiederanpassung an die neue Zeit. Schlafstörungen sind da ein großes Thema. Es betrifft aber auch den Puls, die Herzfrequenz, die Hormonausschüttung – Cortison ist da besonders zu erwähnen – und auch die Körpertemperatur.

„Als Faustregel gilt: Einen Tag pro Zeitzone braucht man zur Regeneration.“

So viel Regeneration braucht man nach Langstreckenflügen #

Es beginnt erst mit der Wiederanpassung, haben Sie gesagt. Ist das der Grund, warum ein Jetlag meist erst nach einigen Tagen richtig spürbar wird?

Dr. Marcus Mairinger: Ja, das ist richtig. Man sagt, die Dauer der Resynchronisation ist von der Zahl der überflogenen Zeitzonen abhängig. Die Wiederanpassung nach Ostflügen dauert dabei um einiges länger als nach Westflügen. Das hängt damit zusammen, dass der Körper Flüge von Ost nach West besser toleriert, da dabei der Tag verlängert wird und das unserem natürlichen Rhythums eher entgegenkommt. Unser zirkadianer Rhythmus beträgt nämlich nicht 24 Stunden, sondern 25. Im Allgemeinen dauert es etwa zwei Tage, um die Hälfte der Zeitverschiebung wieder auszugleichen, beziehungsweise wird etwa ein Tag benötigt, um circa 90 Minuten bei West- und 60 Minuten bei Ostflügen auszugleichen. Eine Faustregel könnte also sein, dass man einen Tag pro Zeitzone für die Resynchronisation benötigt.

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Der zirkadiane Rhythmus

ist die Zeitperiode, die unser Körper als einen Tag empfindet. Vereinfacht gesagt ist es unsere innere Uhr, die unseren Schlaf-Wach-Rhythmus steuert. Studien zufolge dauert der zirkadiane Rhythmus etwa 25 Stunden, wenn keine externen Zeitgeber vorhanden sind. Erst das Tageslicht reguliert ihn auf 24.

Tipps gegen den Jetlag: So kann man ihn abmildern #

Bei der Urlaubsplanung sollte man also entsprechend viel Regenerationszeit einplanen. Gibt es auch Möglichkeiten, den Jetlag zu verkürzen?

Dr. Marcus Mairinger: Ja, man kann prophylaktisch bei Westflügen am Vortag länger schlafen, ruhig 12 oder 14 Stunden, und die Nacht vor der Reise nach Osten verkürzen. Die Ernährung ist aber auch ein wesentlicher Faktor. Vor dem Flug sollte man kohlenhydratarm essen, denn Kohlenhydrate machen müde. Eiweiß hingegen macht wach. Außerdem sollte man externe Zeitgeber in der ungewohnten Zeitzone bewusst einsetzen: am sozialen Leben teilnehmen, Menschen treffen, geistig und körperlich aktiv sein. Am ersten Tag sollte man sich zwar noch schonen, aber am zweiten Tag unbedingt rausgehen und einen Spaziergang in der Sonne machen. Das Tageslicht beeinflusst nämlich über den Melatoninspiegel die Resynchronisation. Es gibt auch kontroverse Diskussionen darüber, ob Melatonin zusätzlich eingenommen werden sollte, um die Wiederanpassungszeit zu verkürzen. Das würde ich aber nicht empfehlen, da Melatonin auch Nebenwirkungen haben kann.

„Bei Aufenthalten bis maximal vier Tage kann man versuchen, dem Jetlag zu entgehen.“

Kann man den Jetlag rein biologisch ganz umgehen?

Dr. Marcus Mairinger: Man kann durch Anpassung des Schlafrhythmus den Jetlag etwas abschwächen, indem man schläft, wenn Nacht am Zielort ist. Leichte Kost und viel trinken hilft auch. Dehydratation fördert nämlich den Jetlag. Alkohol und koffeinhaltige Getränke sollte man hingegen vermeiden. Damit kann man den Jetlag abmildern, aber ganz verhindern kann man ihn nicht. Wenn man nur einen sehr kurzen Aufenthalt hat, bis maximal vier Tage am Zielort, kann man versuchen, im gewohnten Rhythmus zu bleiben und sich gar nicht erst anzupassen.

Das geht aber nur dann, wenn man keine geschäftlichen Verpflichtungen oder Termine hat.

Dr. Marcus Mairinger: Genau, das ist der Punkt. Es funktioniert natürlich nur, wenn man sich ganz komfortabel zurückziehen kann und keinen Termindruck hat. Dann hat man fast gar keinen Jetlag. Das Flugpersonal hat nach Langstreckenflügen meist 48 Stunden Ruhezeit und arbeitet dann mit dieser Methode.

Reisen mit Nebenwirkungen: So bleiben Viel- und Langstreckenflieger gesund #

Welche körperlichen Auswirkungen können bei häufigem Langstreckenfliegen auftreten?

Dr. Marcus Mairinger: Es gibt Studien, die nahelegen, dass das Immunsystem durch den Schlafentzug geschwächt wird. Viele dieser Erkenntnisse stammen aber auch aus der Schichtarbeit. Da gibt es auch Studien, dass wenig Schlaf beziehungsweise ein unregelmäßiger Schlafrhythmus die Entstehung von Mammakarzinomen und kolorektalen Karzinomen fördern kann. Auch Neigung zu Migräne, Stimmungsschwankungen, erhöhtem Blutdruck bis hin zu Alkoholproblemen können daraus resultieren.

Was kann man tun, um als Vielflieger und auf Geschäftsreisen gesund zu bleiben?

Dr. Marcus Mairinger: Im Prinzip das, was ich eben schon geschildert habe: Auf gute Schlafhygiene achten, gesunde Ernährung, körperliche Aktivität am zweiten Tag nach Ankunft … Womit wir auch gute Erfahrungen gemacht haben, ist das Powernapping. Piloten wenden das während des Flugs an. Sie haben ja auch ihre Ruhephasen, wo sie sich in die Kabine zurückziehen und 45 Minuten Powernapping machen.

„Mit Autogenem Training kann man lernen, im Flugzeug zu schlafen.“

Ich kann beim Fliegen ja nie richtig schlafen, egal wie lang der Flug dauert und wie müde ich bin. Kann man das lernen?

Dr. Marcus Mairinger: Ja, mit Entspannungsübungen wie dem Autogenem Training kann man das gut lernen, das ist sehr empfehlenswert. Als Passagier kann man auch auf kurz wirksame Schlafmittel zurückgreifen, die man vor dem Abflug einnimmt. Das ist auch ein probates Mittel gegen Flugangst. Für das Flugpersonal ist das aber ein absolutes No-Go. Da ist autogenes Training besser.

Über den Beruf des Flugmediziners #

Wie wird man Flugmediziner? Gibts dazu eine eigene Ausbildung?

Dr. Marcus Mairinger: Die gibts in Österreich nicht, aber in Deutschland und England. In Deutschland ist es ein Additivfach zur Allgemeinmedizin, Arbeitsmedizin und Inneren Medizin. In Österreich sind da rein über Austrocontrol beeidete Sachverständige tätig. Die EASA, das ist die Europäische Flugsicherheitsbehörde in Köln, und die FAA, das Amerikanische Pendant dazu, bilden auch Flugmediziner aus.

Warum haben Sie sich für die Zusatzausbildung entschlossen?

Dr. Marcus Mairinger: Ein Freund von mir war selbst Flugmediziner und Kardiologe und hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass es sehr wenige Flugmediziner gibt und mich das vielleicht interessieren könnte. Es hat mich dann sehr interessiert und so bin ich auch zur Fliegerei gekommen. Ich habe danach auch noch die Ausbildung in Reisemedizin, Tropen- und Tauchmedizin gemacht. Das ist ein Portfolio, das sehr interessant ist.

Wofür sind Sie als Fliegerarzt zuständig?

Dr. Marcus Mairinger: Während meiner Tätigkeit im Aeromedical Center in Frankfurt war ich hauptsächlich für die Gesundheit des Flugpersonals zuständig. Ein weiterer Aufgabenbereich ist aber natürlich die Gesundheit der Passagiere: Das beginnt bei der Abklärung der Flugfähigkeit von kranken Menschen, COPD-Patienten beispielsweise, die Sauerstoff benötigen, oder Menschen, die medikamentös behandelt werden, akute Thrombosen haben oder gefährdet sind. Ich entscheide auch, ob Menschen, die im Urlaub krank geworden sind, mit einem Linienflug nach Hause zurückfliegen können, einen Ambulanzjet benötigen oder im Urlaubsland behandelt werden können. Meine Tätigkeit umfasst sehr viel Telemedizin und es spielt auch sehr viel Höhenmedizin mit hinein. Damit ist mein Beruf sehr abwechslungsreich und ich mach ihn sehr gern.

Bildnachweis: shutterstock/David Prado Perucha; Lipik Stock Media; Marcus Mairinger; shutterstock/SeventyFour


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