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Solidaritaet im team

Solidarisch durch schwere Zeiten: „Jede*r im Team hat‘s anders schwer“

Arbeitsleben Erstellt am: 15. Dezember 2021 8 Min.

Die Corona-Krise hat uns nach wie vor fest im Griff – und sorgt für immer mehr Spannungen innerhalb von Teams. Das Problem: Jede*r hält die eigenen Probleme für die schlimmsten und vergisst dabei auf die Schwierigkeiten der anderen. Wie Teams diese Krise gemeinsam überwinden und wieder aufeinander zugehen können, erklärt Krisenmanagement-Experte Klemens Fraunbaum.

Das zweite Pandemie-Jahr nähert sich dem Ende, doch echte Entspannung ist leider noch nicht spürbar. Und auch wenn wir uns bereits an viele Unannehmlichkeiten der Krise gewöhnt haben, so nagt sie doch an uns. Krisenmanagement-Experte Klemens Fraunbaum kennt die Schwierigkeiten, die daraus für Teams entstehen und erklärt, wie wir zu mehr Solidarität und Miteinander finden können.

„Ich habs am schwersten“: Abkapselung sorgt für Unverständnis #

Klemens Fraunbaum hat als Unternehmensberater und Spezialist für Krisen- und Notfallmanagement in den vergangenen beiden Jahren viel für Firmen gearbeitet. Das größte Problem war und ist in dieser Zeit seiner Erfahrung nach folgendes: „Alle haben gedacht, sie erwischt es am schlimmsten. Die Leute im Homeoffice hatten das Gefühl, abgeschnitten zu sein von der restlichen sozialen Welt, die Menschen in den Unternehmen haben hingegen die Menschen im Homeoffice beneidet. Die Menschen in Kurzarbeit wollten mehr arbeiten, weil sie das Gefühl hatten, ihnen fällt die Decke auf den Kopf und die Menschen in Vollzeit haben diejenigen in Kurzarbeit beneidet … Es war eine Situation, in der jeder das Gefühl hatte, zu den Pechvögeln zu gehören.“

„Alle haben gedacht, sie erwischt es am schlimmsten.“

Dauernde Alarmbereitschaft lässt Solidarität schwinden #

In einer derartigen Stimmungslage ist es schwierig, auch für andere da zu sein. „Es war ein kollektives Unglück, weil die psychische Belastung für alle hoch war und es keine Situation und keinen Ort gab, der nicht auch von der Krise betroffen war, an dem das Leben normal weitergegangen wäre. Dadurch war jeder zu sehr mit sich selbst beschäftigt“, bringt der Krisenmanagement-Experte eine Besonderheit der aktuellen Situation auf den Punkt.

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Klemens Fraunbaum

„Man konnte nie aus dem Krisengebiet hinaus und Energie tanken.“

So einen Extremfall hat kaum jemand von uns schon erlebt, erklärt Fraunbaum: „Ich arbeite jetzt seit über 20 Jahren im Krisenmanagement, seit 30 Jahren mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen. Und in dieser Zeit hatten wir noch nie eine Krise, in der es keinen 'sicheren' Ort mehr gab, der nicht auch von der Krise betroffen war.

Bei Hochwasserkatastrophen zum Beispiel waren nur Menschen in einer bestimmten Region betroffen und außerhalb dieses Bereichs war die Welt mehr oder weniger in Ordnung. Das heißt, man konnte aus dem Krisengebiet hinaus und wo anders neue Energie tanken. Es gab also unbelastete Rückzugsorte.“

In einer Pandemie gibt es jedoch keinen Ort weltweit, der nicht betroffen ist. Zusätzlich konnte man auch in der Freizeit viele gewohnte „Energie-Tankstellen“ wie Fitnessstudios, Kultureinrichtungen, Kinos und dergleichen nicht besuchen und nicht nutzen. Und das belastet unsere Psyche und unseren Energiehaushalt. „Die Corona-Krise ist eine enorme Belastungssituation für alle, weil man kaum mehr aus der Alarmbereitschaft herauskommt. Besonders am Anfang der Krise war das ganz extrem spürbar und dieses Gefühl, nirgends richtig sicher zu sein, haben die allermeisten von uns im Laufe ihres Lebens noch nicht erlebt.“ Die Solidarität, die ganz zu Beginn noch spürbar war, ist damit leider ebenso schnell vergangen wie die Empathie füreinander.

Zurück zur Solidarität: „Wir schauen aufeinander!“ #

Doch es gibt Wege zurück zu Empathie und Solidarität, erklärt Klemens Fraunbaum: „Wir müssen einander wieder das Gefühl geben, dass wir aufeinander schauen. Und dazu finde ich niederschwellige psychosoziale Unterstützung ganz wichtig – vor allem für Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern. Diese Personengruppen sind psychisch ganz besonders belastet, wie wir mittlerweile wissen.“ Was Unternehmen diesbezüglich tun können, haben wir bereits in diesem Artikel berichtet:

Employee Assistance Program: Mentale Unterstützung als Benefit

Erstellt am: 21. Oktober 2021 7 Min.

Mentale Belastungen können unterschiedliche Ursachen haben, doch sie alle wirken sich negativ auf unsere Gemütslage und unsere Leistungsfähigkeit aus. Gut, wenn man in diesen Zeiten Unterstützung bekommt – und noch besser, wenn diese Unterstützung vom Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellt wird. Wie Employee Assistance Programme (kurz: EAP) funktionieren, erfahrt ihr im Blog:

Zudem hilft eine klare Krisenkommunikation im Unternehmen, erklärt Fraunbaum: „Wer wird warum in Kurzarbeit geschickt, wer arbeitet im Homeoffice, warum setzen wir welche Schutzmaßnahmen um und welchen Plan gibt es? Verständnis und Transparenz sind sicherlich der beste Schlüssel zu mehr Solidarität.“

„Verständnis und Transparenz sind der beste Schlüssel zu mehr Solidarität.“

Ängste ansprechen und Lob schenken #

Es gibt aber Situationen, in denen Verständnis fast unmöglich wird. Spätestens wenn aufgrund von wirtschaftlichen Problemen Schließungen oder Kündigungen im Raum stehen, machen Existenzängste jede Vernunft schwierig. Das weiß auch der Experte: „Das sind ganz schlimme Ängste, die die gesamte Belegschaft betreffen. Werde ich meinen Job behalten? Was muss ich tun, damit ich nicht gekündigt werde? Es belastet permanent, wenn man diese Fragen immer im Hinterkopf hat.“ In unterschiedlichen Situationen trifft das unterschiedlich hart zu: „Menschen im Homeoffice oder in Kurzarbeit haben da häufig Angst, übersehen zu werden oder als unwichtig abgestempelt zu werden.“ Dasselbe gilt für Teilzeitkräfte.

„Bei aller Unsicherheit und allen Sorgen muss es immer auch Wertschätzung, Lob und Anerkennung geben.“

Führungskräfte sind hier stark gefordert, um ihren Mitarbeiter*innen diese Ängste zu nehmen. „Das geht vor allem, indem man als Führungskraft wertschätzend kommuniziert und die Leistungen anerkennt“, empfiehlt Fraunbaum: „Wahnsinn, was wir alles in der Krise schon geschafft haben! Bei aller Unsicherheit und allen Sorgen muss es immer auch Wertschätzung, Lob und Anerkennung geben. Das nimmt Ängste, fördert die Motivation und auch die gegenseitige Solidarität, wenn man daran erinnert wird, was man zusammen schon alles geschafft hat.“

Führungskräfte brauchen Unterstützung #

Was man dabei jedoch nie vergessen darf: Auch Führungskräfte sind Menschen. Und sie haben es mitunter besonders schwer: „Gleichzeitig brauchen auch die Führungskräfte und Unternehmer natürlich viel Unterstützung, denn sie tragen ja die größte Verantwortung. Also ähnlich wie man Eltern stärken muss, damit sie ihre Kinder gut durch die Krise bringen können, brauchen Führungskräfte Unterstützung, damit sie ihre Teams gut durch Homeoffice, Kurzarbeit und Co. bringen.“ Angebote dazu gab es beispielsweise von der Wirtschaftskammer, Führungskräfte können sich aber auch gegenseitig stärken, indem sie sich regelmäßig über ihre Situationen austauschen, Feedback und Hilfe oder kollegiales Coaching anbieten. „Selbstverständlich ist die Unterstützung und Begleitung der Führungskräfte auch durch professionelle Supervisor*innen und Coaches empfehlenswert und hilfreich“, ergänzt der Experte.

Führungskräfte als Vermittler: Schluss mit dem gegenseitigen Beneiden! #

Teams, die viel im Homeoffice oder hybrid arbeiten, wissen, wie schwierig es ist, in dieser Arbeitsweise Kontakt zu halten. Auch hier sind Führungskräfte besonders gefordert, ihrer Vermittlerrolle gerecht zu werden: „Kontakt halten zu den Mitarbeiter*innen im Homeoffice war und ist sicherlich das schwierigste für Führungskräfte. Das muss viel aktiver eingefordert werden als im normalen Bürosetting. Das gewohnte ‚Meld dich, wenn du was brauchst‘ das funktioniert im Homeoffice nicht.“

„Führungskräfte müssen klarmachen, dass die Situation für niemanden einfach ist.“

In hybriden Teams sollten Führungskräfte auch das Verständnis für die Situationen der jeweils anderen fördern. „Teamleiter*innen müssen ganz stark als Vermittler*innen agieren zwischen denen, die im Homeoffice arbeiten, und denen, die im Unternehmen sind. Sie müssen klar machen, dass die Situation für niemanden einfach ist und ausgewogene Konzepte für den Wechsel zwischen Homeoffice und Arbeit in der Firma für ihre Teams umsetzen, damit das gegenseitige Beneiden aufhört.“ Was dabei hilft? Miteinander reden und vor allem ganz viel zuhören.

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Über die Person

Klemens Fraunbaum ist diplomierter Sozialarbeiter, Unternehmensberater, Supervisor, Coach sowie Trainer für Notfall- und Krisenmanagement. Er ist zudem langjähriger Mitarbeiter bzw. Einsatzleiter im mobilen Team der Krisenhilfe OÖ und berät unter anderem auch Führungskräfte und Teams der Krisenstäbe.

Bildnachweis: unsplash/Kelly Sikkema; Klemens Fraunbaum


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