Am Ball bleiben: Wie ein Projekt Frauen mit Fluchterfahrung beim Einstieg in den Arbeitsmarkt stärkt
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ArbeitsmarktErstellt am:
05. August 20252025080514 Min.14 Min.
Berufliche Integration beginnt oft da, wo offizielle Förderungen aufhören. Das Projekt „Am Ball bleiben“ unterstützt Frauen mit Flucht- oder Migrationserfahrung dabei, mutig weiterzugehen – zwischen Kinderbetreuung, Bewerbung und dem Traum von einem sicheren Job.
Wer in Österreich als Frau mit Fluchterfahrung ankommt, hat meist schon viel gemeistert:
eine neue Sprache,
ein neuer Alltag,
oftmals Verantwortung für Kinder,
rechtliche Unsicherheiten uvm.
Doch was passiert nach dem Sprachkurs oder vor dem ersten Job? Genau hier setzt das Projekt „Am Ball bleiben“ des Vereins Projekt Integrationshaus an – mit individueller Beratung, Empowerment und konkreter Hilfe beim Einstieg in den Arbeitsmarkt.
Wir haben mit Beraterin und Fachbereichsleiterin Bildung Lydia Rössler und Kurs-Teilnehmerin Euphrasie Ntawuruhunga gesprochen. Ihre Geschichten zeigen:
„Integration braucht Raum, Zeit und Menschen, die an dich glauben.“
Berufliche Wege begleiten mit Herz, Know-how und Netzwerk #
Was ist „Am Ball bleiben“?
Das Projekt richtet sich an Frauen mit Migrationsbiografie, insbesondere mit Fluchterfahrung, die kurz vor dem Einstieg in den Arbeitsmarkt stehen oder ihn gerade gewagt haben. Lydia Rössler erklärt:
„Wir wollen Frauen dabei unterstützen an ihren Zielen dranzubleiben, trotz aller Belastungen. Niederschwellig, freiwillig und sehr individuell.“
💡 Was bietet „Am Ball bleiben“ konkret?
Individuelle Beratung zu Arbeit, Ausbildung & Alltag
Unterstützung bei Bewerbungsunterlagen
Vermittlung an passende Stellen oder Mentorinnen
Workshops zur Selbststärkung und Sichtbarmachung von Kompetenzen
Beratungstermine finden zweimal wöchentlich statt. Die Themen reichen von Bewerbungscoaching über Kinderbetreuung bis hin zu Fragen im Umgang mit heiklen Arbeitssituationen. Zusätzlich werden Workshops organisiert und individuelle Lernpfade begleitet – manchmal auch über Monate hinweg.
„Der Übergang vom Lernen ins Arbeiten ist besonders herausfordernd – gerade für Frauen, die erst als Erwachsene nach Österreich gekommen sind und sich noch kein stabiles Netzwerk aufbauen konnten“, so Rössler.
Zwischen Deutschkurs, Kinderbetreuung und dem Wunsch nach Selbstständigkeit #
Euphrasie Ntawuruhunga berichtet, wie wichtig ihr das Projekt wurde:
„Ich wollte mich schnell integrieren. Ich habe früh mit einem Deutschkurs begonnen. Mein Kind war erst ein paar Wochen alt. Das war wichtig, aber auch schwer.“
Nach gesundheitlichen Rückschlägen erinnerte sie sich wieder an das Integrationshaus und fand über das Projekt „B2 Weiterkommen“ den Weg zurück zur Beratung. Dort wurde sie nicht nur fachlich, sondern auch emotional gestärkt: "Meine Ziele wurden ernst genommen. Ich habe gelernt, am Computer auf Deutsch zu arbeiten, mich zu informieren und mutig weiterzugehen.", so die Teilnehmerin.
Realitäten und Hürden: Integration braucht Geduld und Rückhalt #
Der Weg in den Job ist selten gradlinig. Viele Frauen stehen vor ähnlichen Herausforderungen:
Typische Hürden:
Keine Kinderbetreuungsplätze
Fehlendes Verständnis im Umfeld
Diskriminierungserfahrungen
Unsicherheit bei Bewerbung und im Arbeitsalltag
„Mein Mann hat gesagt: Lass dir Zeit, bleib daheim und kümmere dich ums Kind. Aber ich wollte mich weiterentwickeln. Ich hatte niemanden, der mich anfangs darin bestärkt hat – außer die Beraterinnen im Projekt.“
Lydia Rössler kennt viele solcher Geschichten. Und sie weiß, wie viel Mut dahintersteckt:
„Viele dieser Frauen sind Pionierinnen. Sie bauen sich ihr Leben neu auf, oft ganz ohne Vorbilder. Und sie geben nicht auf.“
Was kennzeichnet Diskriminierung am Arbeitsplatz und welche Ausprägungen gibt es? Dieser Artikel beleuchtet diese Fragen und macht diese ernstzunehmende Thematik anhand von Beispielen greifbar.
Schon heute bringt sie Vorerfahrungen aus ihrem Heimatland mit und den festen Willen, sich schrittweise weiterzuentwickeln. Das Projekt hat ihr geholfen, Bewerbungen selbstsicher zu verfassen, am Ball zu bleiben und sich nicht entmutigen zu lassen. Besonders wichtig war für sie, dass ihre beruflichen Ziele ernst genommen wurden.
„Ich freue mich, wieder in die Arbeit einzusteigen. Ich weiß jetzt: Ich kann das schaffen und ich bin bereit.“
Integration passiert nicht nebenbei, sondern braucht Rahmenbedingungen, Geduld und gegenseitige Offenheit. Lydia Rössler betont:
„Wenn ich andere Menschen wirklich akzeptieren will, muss ich bereit sein herauszufinden: Wer ist dieser Mensch? Passen wir zusammen? Das gilt besonders im Job.“
Viele Frauen mit Flucht- oder Migrationserfahrung bringen fachliche Vorkenntnisse, Mehrsprachigkeit und hohe Motivation mit – aber ihnen fehlt oft die Chance, diese Kompetenzen in der Praxis zu zeigen. Unternehmen sind daher gefragt, nicht nur auf perfekte Lebensläufe zu warten, sondern Entwicklung zu ermöglichen: durch Praktika, Feedback, Mentoring und Zusammenarbeit auf Augenhöhe.
Aus Sicht von Lydia Rössler braucht es zusammengefasst:
Zeit
Integration ist ein Prozess, kein Sprint
Offenheit
Mehrsprachigkeit als Potenzial sehen
Chancen
Praktika, Feedback und Kooperation auf Augenhöhe
Wertschätzung
Talente statt Defizite wahrnehmen
„Respekt heißt auch: dem Gegenüber Entwicklung zuzutrauen und sie aktiv zu unterstützen.“
Was sich ändern muss: Dauerhafte Angebote & mehr Sichtbarkeit #
Das Projekt ist dank Spenden aktuell bis Ende des Jahres finanziert, ob es weitergeht, ist offen. Klar ist: Der Bedarf bleibt hoch. Umso wichtiger wäre eine langfristige Sicherung und stärkere Vernetzung mit Unternehmen.
Wie kann ich das Projekt oder das Integrationshaus unterstützen? #
Spenden: Unterstütze Projekte wie „Am Ball bleiben“ finanziell.
Freiwillige Mitarbeit: Engagiere dich ehrenamtlich im Integrationshaus z. B. in Lernhilfe oder Begleitung.
Unternehmenskooperation: Biete Praktika, Jobs oder Kooperationen an und übernimm soziale Verantwortung.
„Zeigt, was ihr wollt!“ – eine Botschaft an andere Frauen #
Am Ende unseres Gesprächs richtet Euphrasie Ntawuruhunga ein paar Worte an Frauen, die in einer ähnlichen Situation sind:
„Erzählt von euren Zielen und Gefühlen. Traut euch, zeigt, was ihr wollt. Fragt nach Feedback und gebt es auch. So kommt ihr weiter.“
Fazit: Integration braucht Zeit, Vertrauen und echte Chancen #
Das Projekt „Am Ball bleiben“ zeigt, wie viel bewegt werden kann, wenn Beratung nicht nur informiert, sondern ermutigt. Wenn Frauen gezielt begleitet werden und ihnen zugetraut wird, sich weiterzuentwickeln.
👉 Für Unternehmen bedeutet das:
Potenzial erkennen statt nur auf den perfekten Lebenslauf zu schauen. Wer Mitarbeitende mit Flucht- oder Migrationserfahrung einstellt, gewinnt oft Persönlichkeiten mit hoher Resilienz, Lernbereitschaft und Umsetzungsstärke.
Gerade in Zeiten von Fachkräftemangel lohnt es sich, nicht nur formale Qualifikationen zu bewerten, sondern auch den Mut, die Motivation und die Entwicklungsmöglichkeiten von Menschen in den Blick zu nehmen.
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Redaktioneller Hinweis: karriere.at hat das Projekt „Am Ball bleiben“ im Rahmen der jährlichen Weihnachtsspende unterstützt. Dieser Artikel entstand in enger Abstimmung mit dem Integrationshaus.
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