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Schicksalsschläge in der Belegschaft: Wie reagieren, wenn eine Welt zusammenbricht?

Zusammenarbeit Erstellt am: 23. Februar 2021 4 Min.

Schicksalsschläge lassen sich nicht planen. Sie passieren einfach und niemand ist davor gefeit. Doch wie sollte man reagieren, wenn ein Mitarbeiter oder Kollegin mit einer schweren Situation fertig werden muss? Das ist keine einfache Situation, weiß Klemens Fraunbaum, Experte für Notfall- und Krisenmanagement. Er erklärt, was den Betroffenen wirklich hilft und was man lieber bleiben lassen sollte.

Unfälle, eine schwere Krankheit oder sogar ein Todesfall in der Familie – Schicksalsschläge können so vielfältig sein und sie treffen uns meist völlig unvorbereitet. Wie Kolleg*innen und Führungskräfte reagieren sollten, wenn im Leben eines Teammitglieds etwas Schreckliches geschieht, hat uns Krisenmanagement-Experte Klemens Fraunbaum erklärt.

Richtig reagieren bei Schicksalsschlägen im Team #

Wie soll man als Chef*in auf einen Schicksalsschlag in der Belegschaft reagieren?

Klemens Fraunbaum: Schicksalsschläge unter Mitarbeitern sind große Herausforderungen für Führungskräfte: Die Brücke zwischen menschlichem Mitgefühl und betrieblichen Anforderungen zu schlagen ist oft eine Gratwanderung. Die Fakten selbst kann die Firma nicht ändern, beeinflussen oder gar abschwächen und sollte das auch gar nicht versuchen.

„Die Brücke zwischen menschlichem Mitgefühl und betrieblichen Anforderungen zu schlagen ist oft eine Gratwanderung.“

Klemens Fraunbaum
Klemens fraunbaum

Neben dem Mitgefühl und Verständnis für die tragische Situation des betroffenen Menschen scheint es mir wichtig, im direkten und offenen Gespräch zu klären, was für den Mitarbeiter von Seiten der Firma hilfreich und notwendig ist: oft sind es relativ pragmatische Zugänge: zum Beispiel braucht der Mitarbeiter Sonderurlaub, Arbeitszeitveränderung, Lohnvorschuss für dringende Zahlungen oder ganz einfach die Sicherheit und Struktur des gewohnten Arbeitsalltags. Diese Bedürfnisse können betroffenen Menschen nicht immer spontan formulieren, sondern brauchen oft – je nach Phase der Belastung – Zeit und eine schrittweise Herangehensweise und Nachfrage. Verständnis, Toleranz und vielleicht auch mal eine unkonventionelle Lösung können jedenfalls ganz massive Unterstützung bei der Bewältigung des ohnehin überfordernden Alltages bieten und sind damit hilfreich und wertvoll.

Die Kolleg*in ist keine Psycholog*in #

Wie soll man als Kolleg*in reagieren?

Klemes Fraunbaum: Kolleg*innen sind oft verunsichert, wie sie jetzt ja „das Richtige“ sagen oder tun können und haben große Angst, etwas falsch zu machen. Oft tun sie deswegen gar nichts und ziehen sich zurück. Zwei Grundsätze können hier helfen, auf der sicheren Seite zu bleiben: einerseits ehrlich, offen und menschlich auf die Betroffenen zugehen und Gespräch, Hilfe und Unterstützung anbieten. Andrerseits ist es ebenfalls sehr wichtig, nicht den Psychologen zu mimen, sondern Kolleg*in, Kumpel oder Freund*in zu bleiben. Die fachliche Betreuung wird von erfahrenen Profis angeboten und durchgeführt, beides – sowohl die menschliche, kollegiale oder freundschaftliche Ebene als auch die professionelle Unterstützung – ist für die Betroffenen wichtig und ergänzt sich.

Gibt es Dinge, die man beachten sollte bzw. auf keinen Fall sagen sollte?

Klemens Fraunbaum: In der akuten Situation befinden sich betroffene Menschen oft in einer Art Schockzustand, in dem ihnen die gesamten Auswirkungen des soeben Erlebten und damit auch das, was ihnen jetzt helfen oder guttun könnte noch nicht ausreichend bewusst sind. In dieser Situation der Überforderung hören sie oft gestellte Hilfsangebote gar nicht, nehmen sie nicht wahr oder lehnen sie ab. Halt, Stabilität durch gewohnte Abläufe und Beziehungen in der Firma und auch spätere Gesprächs- bzw. Unterstützungsangebote werden von betroffenen Menschen dann aber oft als hilfreich empfunden und helfen beim Bewältigen des eigenen Lebens.

„In der akuten Situation befinden sich Betroffene in einer Art Schockzustand und hören Hilfsangebote gar nicht oder lehnen sie ab.“

Das „Kopf hoch“ sollte man sich sparen #

Klemens Fraunbaum: Auswendig gelernte Floskeln wie zum Beispiel „Kopf hoch“, „wird schon wieder werden“ entstammen meist nur der eigenen Unsicherheit, helfen aber Betroffenen in keiner Weise. Ehrliches Mitgefühl und Interesse am Befinden der Kolleg*in sowie Entgegenkommen im Arbeitsalltag sind für belastete Kolleg*innen viel hilfreicher als schöne Worte. In vielen Fällen lässt das Interesse und die Aufmerksamkeit des Umfeldes von Betroffen bereits nach kurzer Zeit (z. B. nach dem Begräbnis etc.) stark nach und für die „anderen Menschen“ geht das Leben weiter wie vorher – für Betroffene kommt aber gerade jetzt die schwierige Herausforderung, ihr Leben und ihren (Arbeits-)Alltag neu organisieren und bewältigen zu müssen, wo Verständnis und (oft auch praktische) Unterstützung von Kolleg*innen und Führungskräften sehr guttut.

Wie viel kann man als Betroffene*r den Kolleg*innen zumuten?

Klemens Fraunbaum: Arbeitskollegen sind Menschen mit unterschiedlichen Lebenserfahrungen und können deshalb auch sehr unterschiedlich mit tragischen Vorfällen im Team umgehen. Für die meisten ist der Umgang mit einem trauernden oder verzweifelten Kolleg*in eine große Herausforderung und gleichzeitig etwas Unumgängliches im Leben. Unfälle, Notfälle und Tod passieren und gehören zum Leben, es lohnt sich auch für Kolleg*innen allemal, Erfahrungen im Umgang damit zu machen und etwas daraus zu lernen.

Ein funktionierendes soziales Netzwerk sollte man pflegen und fördern #

Gibt es die Möglichkeit, die betroffene Person für eine gewisse Zeit freizustellen?

Klemens Fraunbaum: Aus unserer Erfahrung liegt es im Ermessen der Firma bzw. deren Leitung, wenn es nach Rücksprache mit dem Betroffenen notwendig oder hilfreich ist, Formen einer Freistellung zu finden: Sonderurlaub über das gesetzlich verpflichtende Ausmaß hinaus ist genauso eine Möglichkeit wie (unbezahlter) Urlaub, Formen einer Karenzierung oder ein vom Arzt verordneter Krankenstand.

Was kann ein Unternehmen noch tun, um die betroffene Person zu unterstützen?

Klemens Fraunbaum: Ein funktionierendes soziales Netzwerk, kollegiale Beziehungen und menschliche Grundhaltung sind gerade in Unfall- und Notfallsituationen eine wertvolle Basis für die Unterstützung von Betroffenen im Rahmen der Arbeitswelt. Diese zu pflegen und zu fördern bewährt sich immer – ganz besonders in tragischen oder belastenden Situationen einzelner Mitarbeiter*innen. Grundsätzlich sind auch vorhandene und abgesprochene Rahmenbedingungen für spezielle Notfälle, auf die man im Ernstfall zurückgreifen kann, sehr wertvoll und erleichtern dem Unternehmen, zu reagieren und mögliche Unterstützungs- oder Erleichterungsangebote stellen zu können.

Zur Person #

Klemens Fraunbaum ist diplomierter Sozialarbeiter, Unternehmensberater, Supervisor, Coach sowie Trainer für Notfall- und Krisenmanagement. Er ist zudem langjähriger Mitarbeiter bzw. Einsatzleiter im mobilen Team der Krisenhilfe OÖ.

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