Wer sich plötzlich im Homeoffice statt im vertrauten Büro wiederfindet, tut sich am Anfang oft etwas schwer. Verständlich, denn eine neue Arbeitsroutine muss her. Führen auf Distanz ist für viele Führungskräfte eine gänzlich neue Erfahrung und birgt eigene Herausforderungen. Methoden, die im Büro gegriffen haben, lassen sich möglicherweise nicht aufs Homeoffice übertragen.
Immer mehr Arbeitgeber bieten ihren Mitarbeitenden die Möglichkeit, Homeoffice zu machen. Ein beliebter Benefit, da durch das Arbeiten von zuhause aus das lästige Pendeln wegfällt und Arbeit- und Privatleben sich einfacher vereinbaren lassen. In Unternehmen, die international agieren, ist die Zusammenarbeit über Distanz sogar notwendig, weil sich die Teams nicht zwangsläufig im gleichen Land aufhalten.
Für Führungskräfte bedeutet die Versetzung des Teams in den virtuellen Raum, die eigenen Führungsmethoden und Prioritäten neu überdenken zu müssen.
Oberste Priorität bei virtueller Führung: Kommunikation
Je seltener Sie Ihre Mitarbeitenden persönlich zu Gesicht bekommen, desto stärker müssen Sie die Kommunikation auf digitalem Weg forcieren. Ansonsten bleibt Ihnen möglicherweise verborgen, dass jemand mit dem Workload zu kämpfen hat und am Verzweifeln ist oder bei der Planung eines Projektes nicht weiterkommt und einen gedanklichen Anstoß Ihrerseits benötigt.
Versichern Sie Ihren Mitarbeitenden, dass Sie jederzeit ein offenes Ohr für ihre Probleme und Sorgen haben. Nur wenn es Ihnen gelingt, ein solides Maß an Vertrauen aufzubauen, kann die Zusammenarbeit auch über weite Distanzen hinweg gelingen. Ideal wäre es, wenn Sie sich zumindest einmal pro Woche ausreichend Zeit für jedes Teammitglied nehmen können, um aktuelle Aufgaben zu besprechen und nachzufragen, ob Sie in irgendeiner Weise helfen können, falls es Unstimmigkeiten gibt.
Bevor Mitarbeitende Homeoffice in Anspruch nehmen, müssen Sie sichergehen, dass ein jeder über die notwendige Hardware (Laptop, Handy etc.) verfügt und Zugang zu den jeweiligen Tools hat, die Sie in Ihrem Unternehmen verwenden. Bedenken Sie auch, dass Sie Ihre Mitarbeitenden mit der verwendeten Technik vertraut machen und nicht planlos ins Homeoffice schicken.
Regeln aufstellen und Strukturen definieren
In Teams vor Ort ergibt sich für jedes Mitglied relativ schnell, wer welche Entscheidungen trifft, wer welche Verantwortungsbereiche übernimmt und welche Deadlines für bestimmte Aufgaben gelten. Bei Unsicherheit ist jemand, der Frage und Antwort stehen kann, im Büro nur wenige Schritte entfernt.
Im Homeoffice sieht das alles ein bisschen anders aus. Dinge können nicht einfach auf Zuruf geklärt werden. Es ist daher entscheidend, dass essenzielle Informationen gesammelt werden und jederzeit zur Verfügung stehen.
Für eigenständige Projekte oder Arbeitsbereiche können eigene Wikis oder Datenblätter erstellt werden, die folgende Fragen beantworten:
Halten Sie auch die Arbeitszeiten der einzelnen Personen schriftlich fest. So vermeiden Sie lange Warteschleifen, wenn Feedback oder Freigaben dringend benötigt werden.
Um Unstimmigkeiten oder falsche Infos zu vermeiden, sollten Sie insbesondere für diese Punkte verbindliche Regeln festlegen:
- Pausen
- Müssen Kolleg*innen dem Team mitteilen, wenn sie Pausen machen? Gibt es festgelegte Pausenzeiten? Sind längere Unterbrechungen während des Tages in Ordnung?
- Technologie
- Welche Tools werden verwendet? Wann wird via Video Call, Slack, E-Mail oder Telefon kommuniziert?
- Kommunikation
- Gibt es einen Zeitraum, in dem geantwortet werden muss? Müssen bei Meetings und Gesprächen Protokolle geführt werden?
Vorsicht vor Kontrollwahn
In einem eng zusammenarbeitenden Team geht es ohne regelmäßigen Kontakt nicht. Wenn genügend Zeit dafür ist, kann ein virtuelles morgendliches Stand-up sinnvoll sein, damit die Teammitglieder wissen, woran ihre Kolleg*innen arbeiten. Gleichzeitig erhalten Sie einen wertvollen Einblick in den Arbeitsalltag Ihrer Mitarbeitenden und können einschätzen, ob sie unter-oder sogar überfordert sind.
Sehen Sie jedoch davon ab, sämtliche Arbeitsschritte kontrollieren zu wollen. Homeoffice kann nur funktionieren, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer*in sich gegenseitig vertrauen und wissen, dass sie sich aufeinander verlassen können.
Lassen Sie den Teamgeist nicht verkümmern
Nicht jeder Mensch ist für das stille Vor-sich-hin-Arbeiten im Homeoffice gemacht. Viele Mitarbeitende brauchen den konstanten Austausch mit ihren Kolleg*innen, um nicht zu vereinsamen und jenes Gemeinschaftsgefühl zu stärken, das ihnen Sicherheit gibt. Im Büro entsteht diese Bindung automatisch, schließlich sieht man sich fünf Tage die Woche.
Führungskräfte müssen sichergehen, dass der Teamspirit auch bei mangelndem persönlichen Kontakt nicht verloren geht. Ein Team, das remote arbeitet, muss digital zusammengeschweißt werden, denn oft bleibt die soziale Komponente zwischen den alltäglichen Arbeitsaufgaben auf der Strecke. Video Calls sind für diesen Fall das beste Mittel.
Durch Sichtkontakt richtet sich ein Gefühl der Nähe ganz von selbst ein. Man kann miteinander scherzen, ohne befürchten zu müssen, dass die Pointe zwischen Buchstaben verloren geht. Das Pflegen von persönlichen Beziehungen ist wichtig, damit ein Team stark und produktiv und das Arbeitsklima gesund bleibt.
Gemeinsame virtuelle Kaffee- oder Mittagspausen tragen dazu bei, den persönlichen Bezug aufrecht zu erhalten und auch abseits beruflicher Beziehungen in privaten Dingen up-to-date zu bleiben.
Work-Life-Balance akzeptieren und forcieren
Eine gesunde Work-Life-Balance im Homeoffice? Für leistungsorientierte Mitarbeitende ein ferner Wunschgedanke, denn diese werden zuhause oftmals zu waschechten Workaholics. Führungskräfte tragen die Verantwortung, ihre Teams dazu zu ermutigen, fixe Arbeitszeiten festzulegen und nicht nach dem open-end-Prinzip zu agieren.
Gehen Sie als Beispiel voran und strukturieren auch Sie Ihren Tag nach festgelegten Zeiten. Machen Sie deutlich, dass auch im Homeoffice früher oder später der Feierabend um die Ecke biegt und man sich diesen redlich verdient hat.
Im Umkehrschluss bedeutet das allerdings, dass Sie die Arbeitszeiten der einzelnen Mitarbeitenden respektieren müssen. Spätabends Anrufe zu tätigen oder E-Mails zu schicken ist tabu – erwarten Sie keinesfalls, dass Ihr Team rund um die Uhr für Sie erreichbar ist. Denn das darf und soll es auch nicht sein!