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Fuehrungskraft weiblich

Führen Frauen anders? Eine Unternehmerin im Gespräch über Geschlechterrollen, Menschlichkeit und Erfolg

Unternehmenskultur Aktualisiert am: 20. Juli 2022 9 Min.

Unterscheidet sich der Führungsstil von Frauen und Männern? Julia Fandler, Geschäftsführerin der Ölmühle Fandler, hätte das bejaht – bis sie eines Besseren belehrt wurde. Im Interview erzählt sie uns, warum das Geschlecht einer Führungskraft keine Rolle spielt und warum Menschlichkeit und wirtschaftlicher Erfolg kein Widerspruch sind.

„Ich hab da einen quengeligen Zweijährigen, den muss ich schnell beschäftigen und meld mich gleich wieder bei Ihnen.“ – Das Telefoninterview mit Julia Fandler beginnt anders als erwartet. Doch, was hatte ich erwartet? Eine taffe Karrierefrau, die mir erzählt, wie sie sich beinhart in der männerdominierten Unternehmerwelt durchsetzt? Vielleicht. Tatsächlich wird es ein erfrischend lockeres Gespräch mit einer beeindruckend offenen Frau, die zeigt, dass Geschäftsführer*innen auch nur Menschen sind. Und wenn sie das akzeptieren, sogar richtig erfolgreiche.

Geteilte Führung: Wie man Familie und Geschäft unter einen Hut bekommt #

Frau Fandler, wie ich höre, ist Ihr Sohnemann jetzt zufrieden. Arbeiten Sie öfter von zuhause aus und wie bekommen Sie Geschäftsführung und Familienleben unter einen Hut?

Julia Fandler: Ja, das ist sehr spannend, in Situationen wie diesen, wo man abwechselnd krank ist und das Gefühl hat, gar nicht mehr in die Firma zu kommen. Da muss man als Frau aufpassen, dass man nicht von einem schlechten Gewissen ins andere stolpert. Das habe ich zum Glück halbwegs gut im Griff.

Ich habe das so organisiert, dass ich nicht alleine in der Geschäftsführung bin, sondern mir die Führung mit zwei Partnern teile. Das hat sich aus einem ganz anderen Grund entwickelt. Ich hatte jahrelang mit Depressionen zu kämpfen und hatte das Gefühl, dass ich nur dann langfristig gesund bleiben werde, wenn ich weiß, dass mein Unternehmen abgesichert ist und gut geführt wird, auch wenn ich nicht da bin.

„Ich kann nur langfristig gesund bleiben, wenn ich weiß, dass mein Unternehmen abgesichert ist.“

Julia Fandler · Geschäftsführerin, Fandler Ölmühle
Julia Fandler 300x300

Immerhin bin ich als Geschäftsführerin dafür verantwortlich, die Jobs meiner Mitarbeiter*innen abzusichern. Wenn ich ausfalle, und alles hängt von mir ab, dann sind in unserem Fall 45 Familien betroffen. Das ist sehr viel Verantwortung. Zu manchen Zeiten ist man aber einfach nicht fähig, ins Büro zu gehen, und trotzdem muss das Geschäft weiterlaufen und es müssen Entscheidungen getroffen werden. Das geht nur, wenn man Menschen im Unternehmen hat, die einen entsprechend unterstützen. Daher die beiden zusätzlichen Geschäftsführer.

Wie haben Sie die Geschäftsführung aufgeteilt?

Julia Fandler: Man kann das wie ein Dreieck sehen. Die obere Spitze bin ich, die beiden anderen sind meine Kollegen – übrigens beides Männer, was gar nicht beabsichtigt war. Das hat sich zufällig so ergeben. Der eine ist Peter Schloffer, der gerade sein 35-jähriges Jubiläum gefeiert hat und quasi in der Ölpresse groß geworden ist. Er ist für den Produktionsbereich und den Rohstoffeinkauf zuständig. Der zweite ist Josef Spindler, den ich mir von außerhalb des Unternehmens dazu geholt habe. Er kümmert sich um Vertrieb, Finanzen und Marketing. Ich als Eigentümerin habe den Überblick über alle Bereiche und bringe mich ein, wenn ich das Gefühl habe, dass es nötig ist. Allerdings haben meine beiden Partner absolute Selbstständigkeit. Sonst hätte ich die geteilte Führung nicht installiert, wenn sie bei allen Entscheidungen erst recht wieder mich fragen müssten.

„Ich wollte keine Ja-Sager.“

Das Wichtigste dabei ist, dass man grenzenloses Vertrauen zu seinen Partnern haben kann und auch akzeptieren kann, dass sie gewisse Dinge anders machen, als man es selbst getan hätte. Gleichzeitig erweitert das auch den eigenen Horizont, wenn andere Sichtweisen hinzukommen. Obwohl ich unser Modell gerade als Dreieck beschrieben habe, sind wir trotzdem gleichberechtigte Diskussionspartner und die beiden trauen sich auch, mir Contra zu geben. Das ist genau das, was ich wollte. Keine Ja-Sager, sondern Menschen, die mich auf Fehler hinweisen und ihre Meinung einbringen. Ich bin echt dankbar dafür, dass wir so eine Kultur geschaffen haben.

Menschlichkeit als Unternehmenskultur: Führen Frauen anders? #

Haben Sie diese Unternehmenskultur geschaffen oder bereits so von ihrem Vater übernommen?

Julia Fandler: Diese Kultur der Menschlichkeit hat bereits mein Vater praktiziert. Er hatte einen sehr amikalen Umgang mit den Mitarbeitern, weil auch sehr viele Bekannte von uns aus der Region in unserem Unternehmen arbeiten. Fast 50 Prozent unserer Mitarbeiter*innen stammen aus einem Umkreis von 5 Kilometern. Die kennt man natürlich oft schon, bevor sie Mitarbeiter*innen werden. Das ist super, weil wir dadurch gleich wissen, ob jemand zu uns passt.

Wie gesagt, wir haben einen sehr amikalen Umgang untereinander, aber trotzdem müssen manchmal Entscheidungen getroffen werden, die nicht allen Mitarbeitenden gefallen. Da ist mir eine gute Gesprächskultur sehr wichtig und ein Klima, in dem sich auch die Mitarbeitenden etwas sagen trauen. Ich finde, so viel Courage müssen Mitarbeiter*innen haben, dass sie nicht nur über die Arbeit jammern, sondern auch etwas sagen, wenn was nicht passt. Da hilft es, wenn man sich gut versteht.

Glauben Sie, dass Sie als Frau einen anderen Führungsstil haben als Männer?

Julia Fandler: Wenn ich meine zwei Kollegen nicht hätte, würde ich "ja" sagen. Weil ich schon das Gefühl habe, dass man sich als Frau mehr einfühlen kann und dadurch einen menschlicheren Führungsstil hat. Aber ich habe das außerordentliche Glück, dass meine beiden männlichen Kollegen genauso sind. Insofern belehren die mich eines Besseren.

Also ist Empathie und Menschlichkeit als Führungskraft keine Geschlechterfrage?

Julia Fandler: Nein, eher eine Persönlichkeitsfrage. Ich halte prinzipiell nicht viel von dem Unterscheiden zwischen den Geschlechtern, da ich glaube, dass es sehr Charakter-abhängig ist.

Die neue Chefin im Familienbetrieb: Herausforderungen bei der Übernahme #

Sie haben das Unternehmen von Ihrem Vater übernommen. Wurden Sie gleich als neue Chefin akzeptiert?

Julia Fandler: Ja, ich habe schon das Gefühl. Allerdings war ich schon zehn Jahre lang im Unternehmen, als ich das Geschäft übernommen habe. Zudem war die Übergabe nicht von heute auf morgen, sondern hat sich über einen längeren Zeitraum erstreckt. Mein Vater war krank und ich habe nach und nach immer mehr seiner Aufgaben übernommen. Die Mitarbeiter waren da eher froh, dass jemand das Unternehmen weiterführt, und ich glaube auch, sie waren froh, dass ich diejenige war. Das hat mich auch sehr bestärkt in meiner neuen Rolle als Chefin, zumal ich auch noch sehr jung war, 33 Jahre alt.

„Manchmal hätte ich mir gewünscht, meinen Papa neben mir zu haben.“

Es gab schon Situationen, in denen ich mich nicht sehr wohl gefühlt habe als Einkäuferin, Vertrieblerin, Marketerin und auch noch Zuständige für Finanzen – es war ja alles bei mir gebündelt. Bei größeren Besprechungen mit anderen Firmen bin ich dann ausschließlich Männern gegenüber gesessen, die eine Einzelfunktion innehatten. Als Anfang Dreißigjährige unter lauter Fünfzigjährigen zu sitzen und sich irgendwie behaupten zu müssen, das war schon sehr unangenehm. Da hätte ich mir manchmal gewünscht, meinen Papa oder zumindest einen erfahrenen, männlichen Partner neben mir sitzen zu haben. Wobei der Unterschied in der Berufserfahrung die größere Herausforderung war als das Geschlecht.

Familienplanung als Unternehmerin: Mehr Vorteile als Nachteile? #

Ein entscheidender Unterschied ist aber doch die Familienplanung. Hat man als Frau in der Geschäftsführung mit anderen Herausforderungen zu kämpfen?

Julia Fandler: … Jein … Ich denke, das kommt immer auf die Familienverhältnisse an. In unserem Fall ist das nicht so einfach, da es bei uns keine Großeltern gibt, die zwischendurch auf unseren Sohn aufpassen können. Ich bin 46 Jahre alt, eine Frau Anfang 30 bekommt da vielleicht noch mehr Unterstützung aus dem familiären Umfeld. Wir haben eine Tagesmutter, die auf ihn aufpasst. Aber wenn er krank ist, muss einer von uns beiden zuhause bleiben. Da habe ich als Chefin aber einen Vorteil: Ich muss niemanden fragen, ob ich frei bekomme, und ich habe meine zwei Partner, die mich in dieser Zeit vertreten. Ich glaube, dass das für Arbeitnehmerinnen schwieriger sein kann als für Geschäftsführerinnen.

„Ich glaube, dass es für Arbeitnehmerinnen schwieriger ist als für Geschäftsführerinnen.“

Auf der anderen Seite kann man als Unternehmerin nicht zwei Jahre in Karenz gehen, sondern muss sich auch nach der Geburt so schnell wie möglich wieder ums Geschäft kümmern. Aber das ist etwas, das ich so wollte – die Firma ist quasi mein erstes Baby. Wir haben das dann so gelöst, dass mein Lebensgefährte in Karenz gegangen ist.

Auch Chefs sind Menschen: Emotionale Führung und Vorbildfunktionen #

Haben Sie aufgrund Ihrer eigenen Erfahrungen etwas in Ihrem Unternehmen umgestellt, um Familie und Beruf besser vereinbar zu machen?

Julia Fandler: Nein, ich hatte schon sehr viel Verständnis für Eltern, bevor ich selbst Mama geworden bin. Mir war immer schon wichtig, dass meine Mitarbeiter*innen auch ein Privatleben haben und dass es Situationen gibt, in denen sie nicht arbeiten kommen können – beziehungsweise sollen. Das beginnt mit Krankheitsfällen. Ich wollte nie, dass unsere Mitarbeiter*innen krank arbeiten gehen, nur weil sie die Kollegen nicht belasten wollen. Ich hab die immer sofort nachhause geschickt. Im Endeffekt ist das eine falsche Kollegialität: Man infiziert vielleicht die Kollegen und fällt länger aus, wenn man sich nicht gleich richtig auskuriert. Das haben die meisten sehr schnell verstanden.

„Man beeindruckt mich nicht, wenn man mir am Sonntagabend E-Mails schreibt.“

Auch, dass man mich nicht damit beeindrucken kann, wenn man am Sonntagabend E-Mails schreibt. Freizeit ist Freizeit, und ich will, dass meine Mitarbeiter*innen ihre Freizeit auch zum Entspannen nützen können, damit sie dann wieder leistungsstark in der Arbeit sind. Ich sehe das als meine Aufgabe, die Strukturen so zu organisieren, dass das Team die Zeit bekommen, die sie für sich brauchen.

So wie es bei Ihnen der Fall ist. War es Ihnen wichtig, hier mit gutem Beispiel voranzugehen?

Julia Fandler: Ja, definitiv. Und ich sehe auch, dass es wirkt. Es liegt mir wirklich am Herzen, ein Umfeld zu schaffen, in dem man sich körperlich, geistig und seelisch wohlfühlt. Auch wenn es eine Floskel ist, ich bin wirklich überzeugt davon, dass Mitarbeiter*innen die wichtigsten Ressourcen sind. Die besten Rohstoffe und Produktionsverfahren bringen nichts, wenn die Mitarbeiter*innen nicht gut und gern mit ihnen arbeiten.

„Ich bin eine emotionale Chefin und schätze es, wenn meine Mitarbeiter*innen mir gegenüber loyal sind.“

Das klingt vielleicht nach Friede, Freude, Eierkuchen – und so gehts bei uns auch nicht immer zu – aber ich bin diesbezüglich eine emotionale Chefin und schätze es sehr, wenn die Mitarbeiter*innen auch mir gegenüber loyal sind. Darum sind mir die Menschen und ihr Wohlbefinden so wichtig. Ich habe hier großes Glück, dass unsere Angestellten diese Kultur gut finden und mit dem Vertrauen, das wir in sie setzen, umgehen können.

Haben Sie auch schon negative Erfahrungen damit gemacht?

Julia Fandler: Ja, es gab schon Mitarbeiter*innen, die mit unserer Unternehmenskultur nicht umgehen konnten. Von denen haben wir uns dann wieder getrennt. Und gerade, weil ich eher einen emotionalen Führungsstil habe, bin ich auch schon oft kritisiert worden.

„Manche meinen, ich führe den Betrieb wie einen Kindergarten.“

Da gibt es Leute, die meinen, ich führe den Betrieb wie einen Kindergarten. Aber der Erfolg, den wir damit haben, gibt mir das nötige Selbstvertrauen, diese Stimmen zu ignorieren. Darum bleibe ich umso lieber dabei und möchte den Kritikern beweisen, dass man auch mit einem sehr hohen Maß an Menschlichkeit wirtschaftlich erfolgreich sein kann.

Über Julia Fandler #

1973 geboren, steigt Julia Fandler 1994 in vierter Generation in den elterlichen Betrieb in Pöllau (Steiermark) ein. Die Ölmühle Fandler ist zu diesem Zeitpunkt bereits seit fast 70 Jahren in Familienbesitz. 2006 übernimmt sie mit nur 33 Jahren die Geschäftsführung, die sie seit 2015 mit zwei Partnern teilt.

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