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Resilienz als Stoppschild

Von der persönlichen zur wirtschaftlichen Resilienz

Unternehmenskultur Erstellt am: 29. März 2023 6 Min.

Seit einigen Jahren begleitet uns ein Begriff, der im Zusammenhang mit Krisenbewältigung und Stressresistenz immer wieder genannt wird: Resilienz. Zahlreiche Artikel sind in den letzten Jahren zur Stärkung der eigenen Resilienz veröffentlicht worden. Kann man Resilienz nur als individuelle Fähigkeit bezeichnen, oder gilt sie auch für Unternehmen? Liegt die Bildung von Resilienz allein in der Verantwortung von Arbeitnehmer*innen oder auch von Führungskräften?

Ein Gespräch mit Peter Schramek MSc., Unternehmensberater, Lebens- und Sozialberater, Erlebnispädagoge, Resilienz-Trainer und -Coach zur Bedeutung von Resilienz und der Zukunft.

Die Gesprächsgrundlage #

Was ist Resilienz und woher kommt der Begriff? #

Bevor wir uns ins Gespräch stürzen, muss zunächst einmal geklärt werden, was der Begriff bedeutet. Obwohl Resilienz in den letzten Jahren in aller Munde gewesen ist, gibt es unterschiedliche Ansichten. Peter Schramek erklärt in unserem Gespräch Resilienz als eine innere Widerstandskraft – zum Teil angeboren und zum Teil erlernt – die bestimmt, wie gut man mit Veränderungen umgehen kann.

„Eine schöne Metapher für Resilienz ist die von der Bambuspflanze, die sich zwar bei Stürmen flexibel biegt, aber nicht bricht.“

Peter Schramek
Peter Schramek

Peter Schramek: Das sei aber nicht zu verwechseln mit alles schönreden. Resiliente Menschen tragen keine rosaroten Brillen und leugnen Schwierigkeiten nicht. Es geht vielmehr darum, die eigenen Fähigkeiten und Potentiale zu nutzen, um Niederlagen, Unglück, Stressoren und Schicksalsschläge besser und schneller meistern zu können. Resiliente Menschen haben gelernt, die Opferrolle zu verlassen und die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Resilienz ist unser seelisches Immunsystem. Zentral für die Resilienzforschung war die Kauai-Studie von Emmy Werner, einer US-amerikanischen Entwicklungspsychologin. Sie und ihr Team begleiteten auf der Hawaii-Insel Kauai 45 Jahre lang circa 700 Kinder, die teilweise unter schwierigsten Lebensbedingungen wie Armut, Gewalt und Sucht aufwuchsen, um herauszufinden, welche Faktoren ausschlaggebend sind, um ein gutes Leben führen zu können. Die Studie zeigte einerseits, dass Resilienz erlernbar und nicht nur angeboren ist. Andererseits, dass es wichtige protektive Faktoren gibt, wie emotionale Bezugspersonen, hohe Sozialkompetenz oder positive Selbstwirksamkeitserwartung. Anders gesagt: das Vertrauen in die eigene erfolgreiche Handlungskompetenz.

In der Stellenausschreibung: Resilienz als Anforderung oder Benefit? #

Wenn man im Suchfeld auf karriere.at den Begriff „Resilienz“ eingibt, erhält man als Suchergebnis 42 Stellenausschreibungen (Stand 10.2.2023). Davon listen 19 Inserate Resilienz als Tätigkeitsanforderung und 15 Inserate als Benefit auf. Die restlichen acht Inserate stehen in Verbindung mit technischer Resilienz („Resiliente Lösungen“, „Cyber-Resilienz“). Haben Sie eine Erklärung für diese Spaltung zwischen Jobanforderungen bzw. Benefit für Mitarbeiter*innen?

Schramek: Das Thema Resilienz hat besonders in Anbetracht der vielen Krisen der letzten Jahre an Popularität gewonnen. Es wurde aber leider auch inflationär verwendet. Wenn man aber die Inserate aufmerksam liest, versteckt sich Resilienz hinter zahlreichen anderen Begriffen, wie beispielsweise

  • Flexible Reaktion
  • Teamwork
  • Spontanität
  • Optimismus
  • Stressresistenz …

Können Sie Resilienz als Fähigkeit anhand eines konkreten Beispiels in einem beruflichen Kontext besser veranschaulichen? #

Schramek: Nehmen wir als Beispiel eine Chef*in, die mich mit Arbeit zuschüttet. Meine automatische Reaktion ist, die Aufgaben anzunehmen. Möglicherweise fällt es mir schwer, nein zu sagen. Ich möchte Karriere machen oder ich glaube, ich schaffe das schon. Die Arbeitsaufträge nehmen jedoch zu. Trotzdem glaube ich, dass ich meine Arbeit einfach mit mehr Arbeitszeit bewältigen kann und – das ist wesentlich – es einfach nicht ändern kann. Es ist nun einmal so. Das geht vielleicht eine Zeit lang gut. Ändere ich jedoch langfristig nichts, führt das geradewegs ins Burnout.

Eine resiliente Verhaltensweise wäre, in der Handlung innezuhalten und offen zu reflektieren, ob mir solche Verhaltensmuster („Ich schaffe das schon“ oder „Ich kann nicht nein sagen“) aus der Vergangenheit bekannt sind und welche Annahmen und Glaubenssätze dahinterstecken. Resilienz ist die Fähigkeit, einen oft unbewussten Automatismus zu unterbrechen und die Handlung und die Handlungsmöglichkeiten zu hinterfragen. Dabei spielt Achtsamkeit eine wichtige Rolle, die zwischen dem eigentlichen Reiz (Arbeitsauftrag) und der Handlung (ich akzeptiere ihn und laufe los) eine Stopp-Tafel einbaut. Und mich fragen lässt: Was mache ich gerade, tut es mir gut und wie könnte ich es anders machen? Also mir hilft, die Opferrolle zu verlassen und ins Verändern zu kommen.

Nicht nur Stärkung der persönlichen, sondern auch der wirtschaftlichen Resilienz #

Das ursprüngliche Verständnis von Resilienz als eine Fähigkeit der Robustheit ist angesichts der multiplen Krisen, wie Corona, Klimawandel, Finanzkrise, Flüchtlingsströme usw. überholt, schreibt das Zukunftsinstitut. Es hat im Rahmen seiner Trendstudie 2022 Resilienz als die zentrale Zukunftskraft definiert und fordert damit ein Umschwenken auf eine neue Form der Resilienz.

„Künftig ist auch ökonomischer Erfolg untrennbar verbunden mit der Resilienz von Mensch, Gesellschaft und Natur. Der Aufbau von Resilienz – die Fähigkeit, adaptiv auf Krisen zu reagieren – wird zur zentralen Zukunftsaufgabe für Unternehmen.“

Matthias Horx, Zukunftsforscher

Wie kann individuelle Resilienz auch auf Unternehmen übertragen werden? #

Schramek: Resilienz fängt im Kleinen an, wie beim vorherigen Beispiel mit der Chef*in. Im Großen bedeutet das, dass man sich als Unternehmen mit wichtigen Themen auseinandersetzen muss: Klarheit in den Werten, offene Kommunikation, Umgang mit persönlichen Grenzen, Fehler- und Konfliktkultur, Reflexion von defensiven Routinen, Gesundheitsmanagement, Begleitung von überlasteten Mitarbeiter*innen und natürlich Resilienz-Training für Führungskräfte und Mitarbeiter*innen.

Was kann ein Unternehmen tun, um die eigene Resilienz zu stärken? #

Schramek: Ein Satz, der sich immer wieder bewahrheitet: „Eine Arbeitnehmer*in kommt wegen des Unternehmens und geht wegen der Chef*in“.

Führungskräfte haben einen enormen Einfluss auf die Kultur und damit die Resilienz eines Unternehmens. Ganz gleich ob Team-, Bereichsleiter oder Vorstand. Und da spielt emotionale Intelligenz eine wesentliche Rolle. Peter F. Drucker, Pionier der modernen Managementlehre meinte, dass die einzige Person, die Führungskräfte führen müssen, sie selbst sind. Erst wenn ich mich selbst und meine Gefühle gut kenne, weiß, wie sie mein Handeln beeinflussen und ich sie gut managen kann, erst dann kann ich andere gut führen. Also Empathie zeigen, Entwicklung und Kooperation fördern, Mentor*in sein, Konflikte managen, Visionen entwickeln und vieles mehr.

Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchen zeigen, wie wichtig in diesem Zusammenhang emotionale Intelligenz im Unternehmen ist. Beispielhaft sei jene von Daniel Goleman erwähnt, die zeigt, dass emotional intelligente Führungskräfte das Betriebsergebnis um bis zu einem Drittel steigern können. Trotzdem ist (noch) wenig Sensibilität dafür vorhanden. Einerseits, weil solche Programme immer mit einer Selbstreflexion der Führungskräfte einhergehen. Und die kann auch manchmal schmerzlich sein. Anderseits, weil es eine langfristige Entwicklung und damit nicht sofort messbar ist, genauso wie Resilienz-Programme. Aber schließlich erwarte ich auch nicht nach 10 Besuchen im Fitnesscenter, wie eine Bodybuilder*in auszusehen.

Warum ist Resilienz im Unternehmen für Recruiting wichtig? #

Besonders angesichts des Fachkräftemangels, der dazu führt, dass sich Bewerbende aussuchen können in welchem Unternehmen sie arbeiten möchten, hat Resilienz im Unternehmen wesentlichen Einfluss auf Recruiting und Arbeitskultur. Es geht nicht um Homeoffice oder 4-Tage Woche, sondern vor allem um die Frage, in welchem Umfeld möchte ich arbeiten und wie wird mit mir als Angestellte*r umgegangen. Welche Werte lebt das Unternehmen? Gibt es eine offene Feedback- und Fehlerkultur? Wie sieht es mit Offenheit und Transparenz aus? Wie wird auf meine Bedürfnisse eingegangen? Zum Beispiel wissen 67 Prozent der Arbeitnehmer*innen nicht, an wen sie sich bei mentalen Problemen wenden können. Die Basis einer guten Gesundheitsvorsorge und damit Resilienz-Kompetenz basiert nicht nur auf einer physischen Säule, sondern auch auf einer psychischen. Diese psychische Kompetenz ist mindestens genauso wichtig und kann durch Resilienz-Trainings und -Coachings im Unternehmen sehr gut und langfristig gefördert werden.


Peter Schramek, Msc. ist Unternehmensberater, Lebens- und Sozialberater, Erlebnispädagoge, Resilienz-Trainer und -Coach. Als Gründer und Inhaber von Out4Life bietet er gemeinsam mit Bettina Schramek in- und outdoor Coachings für Einzelpersonen sowie Gruppen an.

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