Flexible Arbeitszeiten: 6 erfolgreiche Modelle aus der Praxis
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ZusammenarbeitErstellt am:
01. Juni 2022202206018 Min.481
Sind fixe Arbeitszeiten veraltet? Ja, wenn es nach Österreichs Arbeitnehmern geht. Working 9 to 5 ist in vielen Berufen schlicht nicht mehr nötig, das erkennen auch Arbeitgeber zunehmend. Um dem starren Konstrukt zu entkommen, gibt es viele Möglichkeiten. In diesem Artikel bekommt ihr einen Überblick über flexible Arbeitszeitmodelle, die bereits erfolgreich umgesetzt werden.
Starre Strukturen und Zwang zur Präsenz gehören aufs Abstellgleis – dieser Meinung sind junge arbeitstätige Menschen zwischen 16 und 28 Jahren. 667 Teilnehmer*innen aus 11 EMEA Ländern zählte die Workforce-Preference-Studie von PwC Österreich und das Ergebnis spricht für sich. Auf flexible Dienstpläne und Arbeitszeiten legen die Teilnehmer*innen am meisten wert – in Österreich liegt dieser Punkt sogar auf Platz eins. Auch unser Studie zur Zukunft der Arbeit zeigt:
Arbeitnehmer wünschen sich flexible Arbeitszeiten:
70 Prozent der Arbeitnehmer wünschen sich von ihrem Arbeitgeber eine flexible, selbstständige Zeiteinteilung.
68 Prozent möchten flexible Arbeitszeitmodelle (z. B.: 30-Stunden-Woche).
87 Prozent sehen flexible Arbeitszeit als beliebtes Benefit.
Für 33 Prozent sind sie sogar ein Grund, den Job zu wechseln
„Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit rücken die 30-Stunden-Woche wieder in den Fokus.“
Unsere Umfrage zum Jobwechsel in Corona-Zeiten ergibt: Selbst in der aktuellen Krise würden 22 Prozent der Arbeitnehmer für eine bessere Work-Life-Balance den Job wechseln - die Kurzarbeit hat wohl einigen gezeigt, dass vierzig Stunden gar nicht nötig wären. Auch aufgrund der aktuell hohen Zahlen wird die 30-Stunden-Woche wieder vermehrt diskutiert. Wir haben mit einigen Firmen gesprochen, die alternative Arbeitszeitmodelle bereits erfolgreich eingeführt haben:
Flexible Arbeitszeitmodelle aus der Praxis
Gleitzeit einführen, auf Kernzeiten verzichten ... Wie Unternehmen dem Wunsch der Arbeitnehmer entsprechen, ist höchst unterschiedlich. Denn zur Umsetzung von flexiblen Arbeitszeiten im Arbeitsalltag gibt es die verschiedensten Modelle. Wir haben uns sechs davon angesehen:
Modell 1: 30 Stunden bei vollem Gehalt
Das sicher radikalste Modell ist die 30-Stunden-Woche. eMagnetix, eine Werbeagentur aus Oberösterreich, gilt als Vorreiter dieser neuen Arbeitsform. Seit 2018 bedeutet Vollzeit hier 30 Stunden pro Woche, beim Gehalt gibts keine Abstriche. Geschäftsführer Klaus Hochreiter erzählt uns, wie das Modell umgesetzt werden konnte: „Angekündigt haben wir die Umstellung im Februar 2018, im Juni dann auf 34 Stunden reduziert und seit Oktober 2018 gilt bei uns die 30-Stunden-Woche. Bis zur Ankündigung vergingen über zwei Jahre, in denen wir sehr ausführlich geplant und getestet haben. Dazu haben wir von Beginn an die Mitarbeiter ins Boot geholt. Jeder hat sich überlegt, wo er in seinem Bereich Zeit sparen und wie er effizienter arbeiten kann. Zudem haben wir genau recherchiert, welche Tools dabei helfen können.“ Die endgültige Entscheidung pro 30-Stunden-Woche wurde schließlich gemeinsam getroffen.
Weniger Stunden verlangen mehr Effizienz
Im Vorfeld wurden verschiedenste Berechnungen durchgeführt, erklärt Hochreiter: „Wir haben geschaut, wo wir eventuelle Umsatzverluste kompensieren können, und stark an Zeitmanagement und Effizienz gearbeitet. Ziel war, dass bei 8,5 Stunden weniger nicht die eigentliche Arbeitsleistung geschmälert wird, sondern die unnötigen administrativen Zeitfresser wegfallen.“ Dazu wurden Arbeitsschritte wie das Reporting digitalisiert und neue Regeln eingeführt. Das private Handy beispielsweise ist als Zeitfresser Nummer eins während der Arbeitszeit tabu und muss in die Schublade.
„Nicht die Arbeitsleistung wird geschmälert, sondern die unnötigen Zeitfresser fallen weg.“
30 Stunden verbessern die Arbeitsqualität
Nicht nur die Mitarbeiter, auch die Kunden waren zu Beginn skeptisch, ob bei weniger Arbeitszeit die Qualität der Arbeitsleistung gehalten werden kann. Diesbezüglich wurden alle mittlerweile eines Besseren belehrt, erzählt der Agenturchef: „Der große Vorteil ist, dass wir durch die 30-Stunden-Woche auch viel bessere Bewerbungen bekommen als früher, und dadurch ist die Qualität unserer Arbeit sehr gestiegen. Gleichzeitig hat sich die Fluktuation verringert und dadurch können wir die hohe Qualität sicherstellen.“
Auch die Mehrheit der Österreicher*innen könnten sich mit diesem Modell anfreunden. Einer Online-Umfrag von karriere.at zufolge wünscht sich fast die Hälfte der Arbeitnehmer*innen eine Reduktion der Wochenarbeitszeit auf 30 Stunden. Studien zeigen, dass Arbeitnehmer*innen durch eine solche Maßnahme sowohl zufriedener als auch gesünder und produktiver wären.
Modell 2: Die 4-Tage-Woche
Ein ähnliches Arbeitszeitmodell hat das Grazer Unternehmen Bike Citizens bereits 2014 eingeführt. Die Arbeitszeit wurde von 38,5 auf 36 Stunden pro Woche reduziert, das Gehalt entsprechend angepasst. Dafür dauert eine Arbeitswoche nur mehr vier Tage. Wie das funktioniert, haben wir CEO Daniel Kofler in diesem Artikel gefragt.
Ein weiteres Beispiel für erfolgreiche Arbeitszeitverkürzung ist Island. 2015 startete die Insel ein Experiment und
führte für 2500 Beschäftigte aus mehr als 100 Unternehmen die
4-Tage-Woche bei 35 oder 36 Stunden ein. Die Erfolge sprachen für sich:
Die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn führte dazu, dass die
Arbeitnehmer*innen glücklicher, gesünder und produktiver
waren. Aus diesem Grund entschied sich die isländische Regierung, die
4-Tage-Woche für 86 Prozent der Isländer*innen einzuführen. Und auch
Großbritannien gibt dem Arbeitszeitmodell ab Juni 2022 eine Chance. 3000
Beschäftigte in 60 britischen Unternehmen und Organisationen werden die
4-Tage-Woche für zumindest sechs Monate testen.
Was die direkte Ausführung der 4-Tage-Woche betrifft, so gibt es
unterschiedliche Ansätze, was die Arbeitszeitverteilung betrifft. Manche
Unternehmen setzen die verkürzte Arbeitswoche um, behalten aber die
maximale Normalarbeitszeit (z.B. 40 Stunden) bei. Andere
Arbeitgeber*innen reduzieren neben den Arbeitstagen auch die Arbeitszeit
selbst, indem die Mitarbeitenden statt 40 oder 38,5 Stunden nur 35 oder
36 Stunden arbeiten.
Modell 3: Die 4-Tage-Woche im Sommer
Eine Alternative zur dauerhaften 4-Tage-Woche ist die saisonale
Reduktion der Arbeitszeit – damit wird flexibel auf Mitarbeiterwünsche
oder auch geringere Auslastung reagiert. Zwei Unternehmen haben uns von
ihren Erfahrungen damit erzählt:
Der Sommerbonus bei BeKa-Software
Seit drei Jahren reduziert BeKa-Software
in den Sommermonaten auf vier Tage Arbeitszeit. Geschäftsführer Klaus
Hagenauer erklärt, was die Beweggründe dafür waren: „Wir sind der
Meinung, dass man eine attraktive Balance zwischen Arbeit und Freizeit
bieten muss.“ Dazu, so Hagenauer, müsse man den Mitarbeitern so viele
Freiheiten wie möglich geben. „Unsere einzige Restriktion ist, dass
unsere Projekte in time und in budget erledigt werden. Wie die
Mitarbeiter das machen, ist ihnen selbst überlassen.“
So funktioniert der Sommerbonus
„Die Mitarbeiter arbeiten in vier Tagen 36 Stunden, das Unternehmen
schenkt ihnen die restlichen 2,5 und somit können alle am Freitag
zuhause bleiben. Wir machen das aus Wertschätzung den Mitarbeitern
gegenüber und haben mit diesem Modell exzellente Erfahrungen gemacht.“
„Mit der Arbeitszeitreduktion im Sommer können wir auch zum Umweltschutz beitragen.“
Vor- und Nachteile der geringeren Arbeitszeit
Nicht alle Mitarbeiter können mit der neu gewonnenen Freiheit umgehen, weist Hagenauer auf die Nachteile hin, relativiert aber im selben Atemzug: „Es gab lediglich zwei Fälle, in denen die Freiheit überstrapaziert wurde. Hier haben die Kollegen aber sofort interveniert. Ein anderer Nachteil ist, dass wir bei stundenbasierten Abrechnungen natürlich Geld verlieren. Aber die Mitarbeiterzufriedenheit ist uns das wert.“ Insgesamt hätten auch Kunden und Bewerber diese Umstellung sehr positiv aufgenommen, erzählt Hagenauer weiter und weist auf einen positiven Nebeneffekt hin, an den man nicht sofort denken würde: „Ich bin ein sehr umweltbewusst denkender Mensch und mit dieser Maßnahme können wir einiges zum Umweltschutz beitragen. Die Mitarbeiter müssen einen Tag weniger in der Woche zur Arbeit fahren und wir sparen Energie, wenn die Firma einen Tag mehr geschlossen ist.“
Sunny Fridays bei Storyclash
Auch ein zweites Unternehmen hat uns von seinen Erfahrungen mit der sommerlichen 4-Tage-Woche erzählt. „Sunny Fridays“ heißt das Modell bei Storyclash – wie es funktioniert, hat uns CEO Andreas Gutzelnig im Interview erklärt.
Modell 4: Die geteilte Firma – Freizeit oder Geld?
Ein spannendes Arbeitskonzept verfolgen die App-Entwickler
bluesource. Hier wird die Firma einfach in zwei Hälften geteilt, damit
jeder Mitarbeiter jeden zweiten Freitag frei haben kann. KANN ist
hierbei das ausschlaggebende Wort, denn mit über vierzig verschiedenen
Arbeitszeitmodellen wird hier ganz flexibel auf die jeweils aktuellen
Bedürfnisse der Mitarbeiter eingegangen. Wer mehr arbeiten möchte, darf
das – bei entsprechender Bezahlung durch Überstundenpauschalen natürlich
– auch tun. „Von acht bis 42,5 Stunden pro Woche ist bei uns alles
möglich“, sagt COO Roland Sprengseis. Dass das Unternehmen dank dieser
und weiterer Maßnahmen kein Problem damit habe, neue Mitarbeiter im
umkämpften IT-Bereich zu finden, erzählt er in diesem Artikel.
Modell 5: Urlaub, so viel man will
So viele freie Tage konsumieren, wie du möchtest – klingt zu gut, um
wahr zu sein? In manchen Unternehmen ist das bereits Realität. Und auch
wenn es für manche Arbeitgeber*innen unmöglich erscheint, dass ein
solches Modell auf lange Zeit funktioniert, ohne Produktivität und
Effizienz der Mitarbeitenden anzugreifen, hat es sich unter den
richtigen Rahmenbedingungen bewährt.
Der Erfolg des unbegrenzten Urlaubs steht und fällt mit den
Mitarbeiter*innen. In einem motivierten Team, in dem gegenseitige
Unterstützung selbstverständlich ist, werden Urlaube so geplant, dass
das tägliche Treiben nicht ins Stocken gerät und niemand in Aufgaben
ertrinkt. Solange Teams intensiv miteinander kommunizieren, kann dieses
Modell gelingen. In Österreich beweisen das Bitpanda, Objectbay und
1000things Austria.
Was sich allerdings vor allem in Nordamerika beobachten lässt:
Arbeitnehmer*innen verabschieden sich keineswegs den Großteil des Jahres
in den Urlaub, sondern nehmen sich trotz ihrer Möglichkeiten
überraschend wenig frei. Das wird zum einen mit dem fomo-Phänomen (fear
of missing out) in Verbindung gebracht. Andererseits hadern viele
Arbeitnehmer*innen unterbewusst trotzdem mit der Sorge, dass es
Konsequenzen geben könnte, wenn sie sich zu häufig freinehmen.
Dass es für unbegrenzten Urlaub bedingungsloses Vertrauen und einen starken Teamgeist braucht, haben uns 1000things Austria und Objectbay hier im Interview erklärt.
Modell 6: Jobsharing
Eine spezielle Form der Teilzeitarbeit ist da sogenannte Jobsharing. Hierbei teilen sich zwei Personen ein Kontingent von 40 oder 60 Stunden.
Wer wann und wer wie lange arbeitet, das schnapsen sich die betroffenen
Mitarbeiter*innen untereinander bzw. in Abstimmung mit dem Unternehmen
aus. Dieses Modell trifft man häufig in Pflegeberufen, vor allem
Ärzt*innen teilen sich häufig eine Stelle.
Der große Vorteil: Die Arbeit lässt sich flexibel an die jeweiligen
Lebensumstände der Arbeitnehmer*innen anpassen und hat sich auch in
Führungspositionen bewähren können. Wichtig ist jedoch der gegenseitige
Austausch. Nur, wenn beide Arbeitnehmer*innen genauestens über die
Handlungen und Aufgaben des jeweils anderen informiert sind, kann Jobsharing funktionieren, ohne in einem Chaos zu enden. Kommunikation ist hier also oberstes Gebot!
Du willst mehr übers Job Sharing erfahren? Jana Tepe und Anna Kaiser unterstützen mit ihrem Unternehmen Tandemploy Menschen und Unternehmen bei der Umsetzung von Jobsharing und haben mit uns über das Thema gesprochen:
Ein Fahrrad, zwei Fahrer - das kann auch im Job funktionieren. Ein Tandemjob kann effizienter sein, mehr Inspiration und Motivation für alle Beteiligten bieten. Wir haben bei den Gründerinnen der deutschen Online-Jobsharing-Plattform Tandemploy nachgefragt, was es für eine Jobsharing-Stelle braucht und wo die zahlreichen Vorteile für Mitarbeiter und Unternehmen liegen.
Ob es Arbeitnehmern im Job gut oder weniger gut geht, das hängt von zahlreichen Faktoren ab. Aber wer ist für die Zufriedenheit verantwortlich? Der Mitarbeiter selbst oder doch der Arbeitgeber? Für eine Studie wurden Angestellte und Arbeitgeber zum Thema Glück im Job befragt.
Mit Kollegen befreundet zu sein oder sich zumindest gut zu verstehen, das ist im Arbeitsleben viel wert. Zufriedenheit im Job hängt letztendlich auch davon ab, mit welchen Menschen man zusammenarbeitet. Beschwerlich wirds, wenn Teamwork mit jemandem notwendig wird, den man eigentlich nicht leiden kann
Onboarding-Prozesse sind so unterschiedlich wie Arbeitgeber selbst. Während die einen auf "softe" Starts für neue Mitarbeiter setzen, stehen bei anderen an Tag 1 bereits erste Projekte auf dem Plan. Verschiedene Onboarding-Konzepte und neue Zugänge für den Start in den ersten Job - so handhaben Facebook, Twitter & Co. ihr Onboarding: