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Pre employment screening

Pre-Employment-Screening: Der Bewerber auf dem Prüfstand

Bewerbung Erstellt am: 07. August 2018 7 Min.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist bekanntlich noch besser. Vor allem für Positionen, in denen Mitarbeiter mit sensiblen Daten oder großen Summen arbeiten ist es gut zu wissen, wie vertrauensvoll die Person wirklich ist. Aus diesem Grund greifen manche Arbeitgeber auf Pre-Employment-Screenings zurück. Was es mit diesem Background-Check auf sich hat, worauf man achten muss und welche Dinge dabei aufgedeckt werden können, weiß Berufsdetektiv Bernhard Maier. Er führt diese Sicherheitsüberprüfungen auf Wunsch von Arbeitgebern durch.

Bewerbungsbetrug: Wenn die Laufbahn ordentlich frisiert wird #

Es muss nicht gleich ein gefälschter Doktortitel oder eine falsche Identität sein, die Praxis zeigt jedoch, dass es mancher Bewerber mit der Wahrheit nicht immer so genau nimmt: Gefälschte Dienstzeugnisse, geschönte Lebensläufe oder das Verschweigen finanzieller Probleme - Bernhard Maier macht sich für Arbeitgeber auf die Suche nach Ungereimtheiten in Lebensläufen und anderen Dingen, die einem Dienstverhältnis im Weg stehen könnten. Wir haben nachgefragt, wie Pre-Employment-Screening funktioniert, wie schwarze Schafe unter Anbietern entdeckt werden können und was ein Background-Check für Bewerber bedeutet:

Die Praxis, einen Bewerber vorab einem Screening zu unterziehen, ist in Österreich eher keine gängige Praxis. Von wem werden Sie typischerweise beauftragt?

Maier: In Österreich sind Pre-Employment-Screenings (PES) unüblich, es gibt jedoch ein paar Bereiche, in denen es vorgeschrieben ist. Wenn es sich um die Besetzung einer Position mit systemrelevanter, kritischer Infrastruktur handelt, sind Screenings vorgeschrieben. Ansonsten gibt es diese Überprüfungen auch im Finanzbereich, bei Banken und Unternehmen mit amerikanischen Eigentümern. In den USA sind diese Screenings eine gängige Methode, um Personen vor der Einstellung zu überprüfen. Diese Policy wirkt sich dann auch auf europäische Tochterunternehmen aus.

Sind sich die Österreichischen Arbeitgeber über risikobehaftete Stellen bereits ausreichend im Klaren?

Maier: Es gibt einen gewissen Vertrauensvorschuss, das ist meine Empfindung. Arbeitgeber sagen sich: Das wird schon stimmen, was im Lebenslauf steht. Man darf nicht jedem misstrauen oder sofort Schlechtes annehmen. Für Bewerber gilt die Unschuldsvermutung. Das ist natürlich bequem, denn als Arbeitgeber muss man nichts unternehmen, oft ist aber auch gar kein Bewusstsein da über die Risiken, die vorherrschen können.

Welche Risiken gibt es, wieso werden diese Screenings durchgeführt?

Maier: Der Zweck des PES ist es, Risiken zu reduzieren und Gefahren und Bedrohungen vom Unternehmen abzuhalten. Je höher die Verantwortung und das Missbrauchspotenzial einer Position, desto eher macht es Sinn, Bewerber vorab zu überprüfen. Auf der finanziellen Ebene minimiere ich das Risiko jemanden einzustellen, der mich vielleicht betrügt. In einem unsicheren Arbeitsumfeld könnte jemand, der nicht verlässlich ist oder nicht über die notwendigen Qualifikationen verfügt, Schaden verursachen - auch physisch. Verhindert werden kann auch Reputationsschaden durch einen Mitarbeiter, der eine repräsentative Funktion innehat und durch negatives Verhalten oder fragwürdige Privataktivitäten auffällt. Schlussendlich reduziert Pre-Employment-Screening auch die Haftung des Managements. Passiert nach einem Screening doch etwas, ist das Management auf der sicheren Seite: Hundertprozentige Sicherheit wird es nie geben, aber es wurde alles versucht, um Schaden abzuwenden.

„Kein Screening ohne Einwilligung des Bewerbers!“

Wie läuft so ein Background-Check ab? Wissen Bewerber, dass sie einem Screening unterzogen werden?

Maier: Kein Screening ohne Einwilligung des Bewerbers! Es ist üblich, dass vorab eine Einverständniserklärung eingeholt wird, man sammelt ja private Daten und dringt in die Privatsphäre eines Kandidaten ein. Das sollte man dem Bewerber klar zu verstehen geben. Ein Teil eines PES besteht darin, die Angaben des Bewerbers zu verifizieren. Er gibt im Lebenslauf seine beruflichen Stationen an, beim Screening wird überprüft, ob diese Angaben auch wirklich stimmen: Berufserfahrung, akademische Abschlüsse etc. Der nächste Schritt ist es, zusätzliche Informationen zu recherchieren – sofern diese Informationen für die Position relevant sind. Dann werden auch Gespräche mit Referenzpersonen geführt. Das können ehemalige Arbeitgeber sein oder jene Referenzen, die der Bewerber selbst namhaft macht. Auf diesem Weg erhält man Informationen von Personen, die in direktem Kontakt mit dem Kandidaten stehen bzw. standen und einschätzen können, wie der Mensch tickt.

„Das Verhalten eines Mitarbeiters in seiner Freizeit kann für die Stelle sehr wohl relevant sein.“

Welchen Stellenwert nehmen soziale Netzwerke dabei ein? Sind Facebook & Co. für die Recherche tabu?

Maier: Das ist eine strittige Frage. Einige Datenschützer vertreten den Standpunkt, dass das Privatleben eines Bewerbers den Arbeitgeber nicht zu interessieren hat. Daraus wird abgeleitet, dass soziale Netzwerke, die überwiegend freizeitorientiert genutzt werden, nicht für die Recherche herangezogen werden sollen. Ich teile diesen Standpunkt nicht, aus folgendem Grund: Das Verhalten eines Mitarbeiters in seiner Freizeit kann für die Stelle sehr wohl relevant sein. Nehmen wir einmal an, ein LKW-Fahrer, der regelmäßig am Abend sehr viel Akohol konsumiert und noch um 1 Uhr morgens ausgiebig Partybilder postet, hat um 6 Uhr morgens Dienstbeginn. Wir können davon ausgehen, dass er dann mit Restalkohol unterwegs ist. Auch wenn er sein Partyleben in seiner Freizeit auslebt, ist das für seinen Job am nächsten Tag relevant. Mein Standpunkt: Social Media und andere Netzwerke werden als Informationsquelle genützt, wobei klar festgelegt wird, ob die gefundenden Informationen Bezug zur Arbeit haben. Das muss von Fall zu Fall individuell bewertet werden.

Wie steht es um die Vertraulichkeit beim Screening? Von einer Bewerbung weiß der aktuelle Arbeitgeber üblicherweise nicht.

Maier: Der Bewerber gibt ja seine Zustimmung zum Screening und im Zuge dieser ist auch klar zum Ausdruck zu bringen, ob man beim aktuellen Arbeitgeber anfragen darf. Verständlich, dass der aktuelle Arbeitgeber nicht unbedingt mitbekommen sollte, dass jemand auf Jobsuche ist. Wenn man Referenzpersonen anspricht, muss die Anfrage möglichst neutral gehalten werden. Man darf der Referenzperson nicht zu verstehen geben, für welche Position oder bei welchem Unternehmen sich der Kandidat bewirbt. Nennt ein Bewerber aber ganz konkrete Referenzpersonen, kann man etwas offener sein.

Ich höre oft den Einspruch, dass ein ehemaliger Arbeitgeber keine gute Referenz sei, weil er nichts Negatives über einen ehemaligen Mitarbeiter sagen darf. Das ist zwar richtig, trotzdem ist diese Annahme falsch. Man muss den ehemaligen Arbeitgeber nicht nach negativen Dingen fragen, sondern kann positive und wertfreie Fragen stellen: Hat Herr Müller wirklich in diesem Zeitraum bei Ihnen gearbeitet? War er wirklich der Abteilungsleiter? Hat er wirklich, so wie im Lebenslauf angegeben, das Projekt XY eigenständig abgewickelt? So erfährt man wichtige Informationen, um zu sehen, ob die Angaben im Lebenslauf korrekt sind - bringt aber niemanden in das Dilemma, negative Dinge sagen zu müssen.

Was macht gutes Screening aus und wie kann man seriöse von dubiosen Anbietern unterscheiden?

Maier: Erstes wichtiges Kriterium: Jemand, der ein Screening ohne Zustimmung des Bewerbers durchführt, ist problematisch. Der nächste Punkt: Das Screening muss relevant sein und konkreten Bezug zum Job haben. Daraus leitet sich auch ab, dass es keine One-size-fits-all-Lösung gibt. Je verantwortungsvoller die Position, desto genauer das Screening. Ich kann den Generaldirektor nicht mit dem gleichen Screening bearbeiten wie eine Reinigungskraft.

Und zuletzt - und das sollte sich von selbst verstehen: Wenn ein Anbieter Informationen heranzieht, die legal nicht zu beschaffen sind, sollte man von einer Zusammenarbeit ebenfalls absehen. Im englischsprachigen Bereich werden online u.a. Criminal Background Checks angeboten, auch für Österreich. Einen Strafregisterauszug erhält bei uns aber nur der Betroffene selbst, darauf haben auch Screening-Agenturen legal keinen Zugriff. Wird das trotzdem angeboten, dann wird die Anfrage entweder nicht durchgeführt und der Anbieter ist ein Betrüger, oder er beschafft sich Informationen, die er gar nicht haben dürfte.

Auf welche Dinge stoßen Sie bei der Durchführung von Screenings?

Maier: Was häufig vorkommt ist das Beschönigen von Lebensläufen. Dabei handelt es sich nicht um große Fälschungen wie das Erfinden eines akademischen Abschlusses, es geht aber durchaus in Richtung Betrug: Ehemalige Positionen werden bedeutender und verantwortungsvoller dargestellt, als sie waren. Jemand gibt z.B. an, eine Abteilung mit 25 Mitarbeitern geleitet zu haben, beim Screening stellt sich dann heraus, dass es in Wirklichkeit nur fünf Personen waren. Oder ein Bewerber behauptet, dass er Hauptverantwortlicher eines Projektes war und dann kommt ans Licht, dass er zwar mitgearbeitet hat, die Leitung des Projektes aber gar nicht innehatte.

Was ebenfalls vorkommt ist das Verschweigen finanzieller Schwierigkeiten. Je nach Position kann das relevant sein, z.B. wenn sich jemand für eine Stelle bewirbt, in der mit großen Geldsummen oder Wertgegenständen gearbeitet wird. Tauchen dann Lohnpfändungen oder ein Privatkonkurs auf, hat das durchaus Relevanz für den Arbeitgeber. In einem anderen Fall konnten wir die Fälschung eines Dienstzeugnisses aufdecken: Der Bewerber hat sich das Zeugnis selbst ausgestellt, wollte auf Nummer sicher gehen und hat ein Unternehmen verwendet, dass es nicht mehr gab. Im Zuge der Recherche habe ich dann entdeckt, dass es das Firmenlogo auf dem Briefpapier zum angeblichen Zeitpunkt der Ausstellung so gar nicht gab, es wurde im Lauf der Jahre einmal verändert.

Das Schrägste, was ich erlebt habe, war eine Bewerberin, die in ihrer Freizeit Geister gejagt hat und nachts in alten Gebäuden paranormalen Phänomenen auf der Spur war. Diese private Gespensterjagd ist zwar schräg, war aber für den Job nicht relevant und hatte deshalb auch keinen Einfluss auf das Screening.

Zur Person #

Bernhard Maier studierte Politikwissenschaft sowie Security- und Risikomanagement in Wien. Seit 1997 ist er als Berufsdetektiv selbstständig, er ist außerdem gerichtlich beeideter Sachverständiger, zertifizierter Betrugsermittler und Risikomanager. Im September 2017 erschien sein Buch "Pre-Employment-Screening: Ein risikobasierter Praxisleitfaden zur Bewerberüberprüfung im Personalauswahlverfahren" im Boorberg Verlag.


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