
Stressige Phasen im Job: Wie gehe ich damit um?
Es ist normal, dass der Job nicht immer Spaß macht und Stress gehört bis zu einem gewissen Grad zum beruflichen Alltag dazu. Was aber tun, wenn der Stress überhandnimmt? Wie wird man resilienter? Patrizia Tonin, Vorsitzende der Österreichischen Vereinigung für Supervision und Coaching (ÖVS) hat dazu Tipps.
Man muss nicht immer alles können
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Frau Tonin, der Stresslevel steigt in Österreichs Unternehmen. Wie geht man am besten damit um?
Patrizia Tonin: Bis zu einem gewissen Grad gehört Stress zum Berufsleben. Problematisch wird es, wenn man gar nicht mehr abschalten kann und permanent an Schwierigkeiten im Job denkt. Grund dafür ist aber nicht immer der*die überkontrollierende Chef*in, nörgelnde Kolleg*innen oder die nächste dringliche Mailanfrage. Unsere eigene Einstellung kann Stress verstärken. Die Sorge, den Erwartungen nicht zu entsprechen, und Gedanken wie „Ich bin nicht gut genug“ sind solche Verstärker. Da hilft eine freundlichere Einstellung zu sich selbst. „Ich muss nicht immer alles können“ oder „Ich darf auch einmal Nein sagen“. Dann wirken Stress-Trigger nicht mehr so bedrohlich.
Wie kann man generell stressresistenter werden?
Patrizia Tonin: Resilienz kann bis zu einem gewissen Grad erlernt werden. Eine Möglichkeit ist es, sich herausfordernden Situationen neu anzunähern. Unzufrieden mit dem Job oder der Karriere? Frag dich einmal, woran du das misst, oder mit wem du dich vergleichst. Oder es ist Zeit für einen Jobwechsel?
Wenn du stressige Situationen identifizierst, dann sprich diese gezielt an. Was willst du ändern? Am besten, du machst auch gleich Lösungsvorschläge. Wenn das alles nicht nützt, dann hilft es, sich in Akzeptanz zu üben. Lenke bewusst deine Aufmerksamkeit auf Dinge, die gut gelingen. Das zeichnet übrigens resiliente Menschen aus: Optimismus und Selbstwirksamkeit – also sich auf das konzentrieren, worauf man Einfluss nehmen kann, und den Rest loslassen und akzeptieren.
„Was resiliente Menschen auszeichnet? Optimismus und Selbstwirksamkeit.“

Patrizia Tonin
Batterien regelmäßig aufladen #
Was kann man zusätzlich tun, damit allzu großer Stress im Job erst gar nicht entsteht?
Patrizia Tonin: Achte auf erste Anzeichen. Ein guter Gradmesser: Habe ich noch Lust und Zeit für Hobbys oder Treffen mit Freund*innen? Schlafstörungen, Energielosigkeit sind Warnzeichen.
Mache bewusste Pausen, gönn dir auch mal zwischendurch frische Luft und ein paar Entspannungsübungen. Damit lädst du deine Batterien wieder auf. Dann kannst du auch deine eigene Einstellung zum Stress reflektieren. Tritt bewusst einen Schritt zurück. Statt automatisch zu denken „Hilfe, wie soll ich das schaffen?“, überlege: „Aha, das also löst bei mir Stress aus“. Ein weiterer Schritt: Raus aus der Opferrolle. Sprich an, was dich stresst und was du bräuchtest, um den Stress zu reduzieren. So gewinnst du wieder mehr Kontrolle über stressige Situationen und erhöhst deine Selbstwirksamkeit. Nur wer sich selbst besser kennt, kann gezielt Stresssituationen vermeiden. Coaching und Supervision sind übrigens gute Formate, um genau diese Themen zu reflektieren und neue Perspektiven zu entwickeln.
Zur Person #
Die ausgebildete Organisationsberaterin, Gruppendynamikerin und Supervisorin Patrizia Tonin, mit eigener Praxis in Wien, ist seit Frühjahr 2022 Vorsitzende der Österreichischen Vereinigung für Supervision und Coaching (ÖVS).