
Arbeitnehmer in heikler Mission: Wie kritisiere ich meinen Chef?
Den eigenen Chef kritisieren? Ein schwieriges Thema - und Hemmschwellen gibt es zur Genüge: Ihn zu kritisieren bringt doch nichts, eigentlich gehört es sich gar nicht, mein Chef ist danach nur wieder beleidigt und außerdem: Ich riskiere doch nicht meinen Job?! Coach Matthias Wölkner weiß, wie man das heiße Eisen Kritik am Chef richtig anpackt, ohne sich die Finger zu verbrennen.
Dem Chef die Meinung sagen? #

Beim Thema Feedback an den Chef klaffen Eigen- und Fremdwahrnehmung von Führungskräften und Mitarbeitern stark auseinander. Glaubt man dem Abstimmungsergebnis der 531 Teilnehmer des karriere.at-Online-Votings, so sind Österreichs Führungskräfte relativ beratungs- und kritikresistent: 44 Prozent sagen, dass niemand im Unternehmen Kritik am eigenen Chef wagt. Ein Drittel gibt an, dass der Vorgesetzte nur konstruktive Kritik von Vertrauten zulässt. 16 Prozent berichten von Führungskräften, die „eher gut“ auf geäußerte Kritik reagieren, wenn diese auf fachlicher Ebene stattfindet. Und nur sieben Prozent gaben als Antwort: „Sehr gut. Er/sie hinterfragt seine eigene Leistung.“
Schwächt Kritik die Führungsposition? #

Durchaus empfänglich für Kritik sehen sich hingegen die Führungskräfte (127 Umfrageteilnehmer) selbst: Mehr als die Hälfte (56 Prozent) sagen „Nur so lernt man aus Fehlern.“ Knapp jeder fünfte Befragte auf Arbeitgeberseite (18 Prozent) lässt Kritik auf fachlicher Ebene zu. Elf Prozent geben an, dass sie bestenfalls in persönlichen Gesprächen auf Fehler hingewiesen werden möchten. Und 15 Prozent lehnen Kritik gänzlich ab: „Das schwächt eine Führungsposition.“
Warum Kritik am Vorgesetzten so schwer fällt #

Kritik am Chef Arbeitnehmer
"Kritik am Chef fällt generell schwer aufgrund der hierarchischen Strukturen, die wir in den meisten Unternehmen haben", weiß Matthias Wölkner. Wer seine Kritik nicht an den Mann oder die Frau bringt, befindet sich damit in bester Gesellschaft. Auch viele Führungskräfte haben Schwierigkeiten, ihren Vorgesetzten zu kritisieren. Den Ärger immer hinunterzuschlucken oder Verbesserungspotenzial brach liegen zu lassen, schadet aber mehr, als es nützt. Die Kritikfähigkeit kann allerdings auch Grenzen haben, weiß Wölkner: "Kritik sollte man tunlichst unterlassen, wenn man einen cholerischen Chef hat, der für Kritik überhaupt nicht empfänglich ist. Dann würde man am Ast sägen, auf dem man sitzt. Es gibt eben Chefs, die sind überhaupt nicht kritikfähig."
Fünf gute Gründe für Kritik am Chef #
- Es schadet dem Arbeitgeber, wenn Kritik mit objektivem Grund nicht mitgeteilt wird.
- Dem Vorgesetzten zu verschweigen, was man als störend empfindet, hilft niemandem.
- Auf formvollendet vorgebrachte Kritik reagieren Vorgesetzte nicht negativ.
- Für jede professionelle Beziehung ist Feedback und Kritik absolut notwendig.
- Kritik kann immer etwas bewegen, wenn sie kompetent gegeben wird.
"Bei Beschwerden eine Nacht darüber schlafen" #

Kritik und Feedback sollte man so früh wie möglich und mit so viel Abstand wie nötig kommunizieren. "Hier gilt die alte deutsche Bundeswehrregel: Bei Beschwerden eine Nacht darüber schlafen. Das verhindert, dass in meiner Kritik noch Emotionen enthalten sind. Wenn es eine schwierige Sache ist, sollte man sich seine Formulierung sehr gut überlegen", so Wölkner. Er rät dazu, nie spontan und emotional zu kritisieren. In der Hitze des Gefechts wird der Chef ebenfalls emotional reagieren und zum verbalen Rückschlag ausholen.
Kritik, bei der alle ihr Gesicht wahren #

"Gegeben ist, dass der Chef der Chef ist. In hierarchischen Strukturen sowieso. Wenn man Kritik eingibt dann immer so, dass der Vorgesetzte noch erhobenen Hauptes durch die Tür gehen kann", sagt Wölkner. Dazu gehört auch, den Vorgesetzten niemals vor versammelter Mannschaft zu kritisieren. Das gilt übrigens auch umgekehrt für alle Vorgesetzten, die Arbeitnehmern Feedback geben möchten: "Kritik ist im Teammeeting nicht angebracht. Vor allem massive Kritik über Verhalten oder Ergebnisse gehört immer in ein Vier-Augen-Gespräch. Alles andere wäre cholerische Darstellung und Profilneurotik", so der Coach. Kritik darf auch schriftlich übermittelt werden bzw. kann das Niederschreiben helfen, sich seiner Kritik bewusst zu werden, weiß Wölkner: "Man kann es sich noch einmal durchlesen und gegebenenfalls korrigieren. Schriftliches kann auch gute Vorarbeit für ein persönliches Gespräch leisten und für mehr Klarheit sorgen.
Sachverhalt und Emotionen, zwei Seiten der Medaille #

Ärger, Unmut, Stress, Angst. "Der Chef muss wissen, was er bei mir auslöst", sagt Wölkner über die emotionale Seite der Kritik. Es geht also nicht nur darum, dem Chef die sachlichen Gründe für die Kritik mitzuteilen sondern auch, was sein Handeln auslöst. "Die schönste Situation bzw. das schönste Ergebnis wäre, wenn er am Schluss sagt: Wow, in der Sache würde ich nichts ändern aber wenn ich sowas bei Ihnen bewirke, das will ich nicht!" so Wölkner.
In drei Schritten zu richtigem Feedback #
Formvollendete Kritik wird in der Regel positiv aufgenommen. Kommunikationsprofi Wölkner gibt eine Übersicht über die nötigen Zutaten für gutes Feedback:
- Positive Einstimmung die signalisiert, dass die Kritik keinen persönlichen Angriff darstellt
- Vorwurfsfreie Schilderung des Sachverhaltes mit Wahrnehmung - Wirkung - Wunsch
- Hinweis: Welchen Nutzen hat der Vorgesetzte von der Erfüllung meines Wunsches?
So sollte man Kritik z.B. besser nicht formulieren: Sie haben mir die Unterlagen für das Meeting viel zu spät geschickt! Wölkner weiß, wie man es besser machen kann: "Die Formulierung 'zu spät' ist bereits eine Verurteilung und Interpretation, die der Chef so nicht versteht. Fakt und richtig wäre zu sagen: Sie geben mir die Unterlagen immer erst einen Tag vor der Besprechung. Die Auswirkungen sind, dass ich in Stress gerate, Fehler mache und dann die Qualität nicht stimmt. Ich würde mir aber wünschen, bessere Arbeit abzuliefern. Wenn es für Sie möglich wäre, mir die Unterlagen früher (z.B. drei Tage vorher) zu schicken, wäre das ideal. Das ist ein sauberes, klares Feedback."
Zur Person #
Matthias Wölkner ist Unternehmensberater, Coach, Trainer, Autor und Geschäftsführer eines Netzwerks von Beratern und Trainern. Zu seinen Klienten und Kursteilnehmern zählen Führungskräfte aller Branchen und Führungsebenen und ihre Mitarbeiter.
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