Das Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz (BMVG) gilt seit 1.1.2003 für Arbeitsverhältnisse zu Privatunternehmen. Es gilt für alle automatisch, die seither ein neues Arbeitsverhältnis begonnen haben. Es gilt aber auch für diejenigen Arbeitnehmer*innen, welche mit ihrem Arbeitgeber einen Umstieg in das neue Abfertigungssystem vereinbart haben (siehe dazu Näheres bei Umstieg).
Aufgrund der Einbeziehung von Selbständigen (Gewerbetreibende, Freiberufler*innen, Landwirt*innen) mit 1.1.2008 wurde das Gesetz in Betriebliches Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz (BMSVG) umbenannt.
Geltungsbereich
Das BMSVG gilt für alle Arbeitsverhältnisse, die auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen, auch für Lehrlinge und neu eintretende Vertragsbedienstete. Für freie Dienstverhältnisse, Vorstandsmitglieder, Gewerbetreibende, Freiberufler*innen und Landwirt*innen gilt das BMSVG seit 1.1.2008.
Abfertigungsbeiträge
Das neue Abfertigungssystem ist durch eine monatliche Beitragszahlung des Arbeitgebers geprägt. Die Beitragszahlung beginnt mit dem zweiten Monat des Arbeitsverhältnisses und beträgt 1,53% des sozialversicherungspflichtigen monatlichen Entgelts.
Abfertigungsbeiträge für Zeiten ohne aktive Arbeitsleistung
Auswahl der Betrieblichen Vorsorgekasse (BV-Kasse)
Der Arbeitgeber hat die Beiträge für alle Arbeitnehmer*innen in eine BV-Kasse zu zahlen.
Beitragseinhebung
Die Beiträge sind vom Arbeitgeber bei Fälligkeit des laufenden Entgelts an die zuständige Krankenkasse (meist Gebietskrankenkasse) zur Weiterleitung an die ausgewählte BV-Kasse zu leisten.
Auszahlung der Abfertigung
Ein Anspruch auf Abfertigung besteht bei jeder Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Grunde nach.
Ein Anspruch auf Auszahlung der Abfertigung besteht, wenn das Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigung der Arbeitnehmer*in, unberechtigten Austritt (= grundlose, fristlose Kündigung der Arbeitnehmer*in) oder verschuldete Entlassung geendet hat und 36 Beitragsmonate vorhanden sind (Ausnahme: Auszahlung auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter gleichzeitiger Inanspruchnahme einer Pension aus einer gesetzlichen Pensionsversicherung oder wenn seit 5 Jahren kein abfertigungsbeitragspflichtiges Arbeitsverhältnis mehr besteht).
Höhe der Abfertigung
Die Höhe des Abfertigungsanspruches ergibt sich aus der Summe des angesammelten Kapitals abzüglich der Verwaltungskosten unter Berücksichtigung der Kapitalgarantie und der Veranlagungserträge. Bei Tod der Arbeitnehmer*in haben die Ehegatt*in und Kinder, für welche Familienbeihilfe bezogen wird, direkt einen Abfertigungsanspruch. Sind keine solchen Erben vorhanden, fällt die Abfertigung in die Verlassenschaft. Die Ausbezahlung muss binnen 6 Monaten bei der BV-Kasse schriftlich beantragt werden.
Wahlrecht statt Ausbezahlung
Die Arbeitnehmer*in hat bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Wahlrecht zwischen der Auszahlung, Weiterveranlagung (längstens bis zur Pensionierung) in der bisherigen BV-Kasse und Übertragung des Abfertigungsbetrages in die BV-Kasse des neuen Arbeitgebers oder der Überweisung an eine Pensionskasse, bei der die Arbeitnehme*in bereits Berechtigte*r ist etc. Dieses Wahlrecht steht jedoch nur dann offen, wenn bereits ein Anspruch auf Auszahlung der Abfertigung besteht (siehe oben).
Umstiegsmöglichkeiten
Bei Arbeitsverhältnissen, welche bereits vor dem 1.1.2003 begonnen haben, können Arbeitgeber und Arbeitnehmer*in einen Umstieg in das neue Abfertigungssystem auf folgende 2 Arten vereinbaren:
Günstigere kollektivvertragliche Abfertigungsansprüche bleiben grundsätzlich aufrecht und können übertragen werden.
BV-Kassen
Zur Verwaltung der Beiträge wurden betriebliche Vorsorgekassen durch Schaffung eines eigenen Konzessionstatbestandes im Bankwesengesetz für die Ansparphase eingerichtet (single licence-Prinzip). Die BV-Kassen unterliegen der Aufsicht durch die Finanzmarktaufsichtsbehörde, der Prüfung durch Bankprüfer und fachlichen Mindestanforderungen an die verantwortlichen Organe. Für BV-Kassen ist ein Mindestkapital von 1,5 Mio Euro vorgesehen.
Aufsichtsrat der BV-Kasse
Der Aufsichtsrat der BV-Kasse besteht aus 4 Kapitalvertretern und zwei Arbeitnehmervertretern. Besteht in der BV-Kasse selbst ein Betriebsrat, so kann ein weiterer Arbeitnehmervertreter von diesem entsandt werden.
Veranlagungsvorschriften
Die BV-Kassen veranlagen die ihnen zufließenden Beiträge für die Arbeitnehmer*innen treuhändisch im Wege einer Depotbank. Die Veranlagungsvorschriften lehnen sich an die Bestimmungen des Pensionskassengesetzes, Versicherungsaufsichtsgesetzes und des Investmentfondsgesetzes an. Der maximale Aktienanteil ist auf 40 % beschränkt und die Bewertung erfolgt nach dem Tageswertprinzip. Den BV-Kassen ist in der Anfangsphase die Bildung je einer Veranlagungsgemeinschaft für die Verwaltung der Anwartschaften gestattet. Eine zukünftige Erweiterung auf mehrere Veranlagungsgemeinschaften ist vorgesehen.
Organisatorische Rahmenbedingungen
Die BV-Kasse hat auf die ihr zugeflossenen Beiträge eine 100 %-ige Kapitalgarantie zu gewähren, die durch eine Rücklage zu decken ist. Darüber hinaus können freiwillige Zinsgarantien bei Bildung entsprechender Rücklagen gegeben werden.
Kontoinformation
An die Anwartschaftsberechtigten ist eine jährliche schriftliche Information über den erworbenen Abfertigungsanspruch sowie die Grundzüge der Veranlagungspolitik zu übermitteln. Werden nach der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses für mindestens 12 Monate keine weiteren Beiträge einbezahlt, so kann eine Kontoinformation später (bis zu 3 Jahre) erfolgen.
Verwaltungskosten etc.
Für die Verwaltungskosten, die die BV-Kasse von den Beiträgen einheben darf, wird im Gesetz eine zulässige Bandbreite zw. 1 und 3,5 % determiniert. Von den Veranlagungserträgen kann die BV maximal 0,8 % einbehalten. Die Übertragung oder Auszahlung von Abfertigungsbeitragsvermögen hat verwaltungskostenfrei zu erfolgen.
Verrentungsphase
Die BV-Kasse wird verpflichtet, mit jeweils zumindest einer Versicherung, die zum Betrieb der Lebensversicherung berechtigt ist, einen Dienstleistungsvertrag abzuschließen. Damit soll eine entsprechende konkrete Information des Anwartschaftsberechtigten über die Möglichkeiten einer Verrentung rechtzeitig vor Auszahlung einer Abfertigung sichergestellt werden. Die Anonymität des Anwartschaftsberechtigten gegenüber der Versicherung muss von der BV-Kasse gewahrt werden, da diese nur indirekt personenbezogene Daten übermitteln darf. Das Wahlrecht des Anspruchsberechtigten bleibt davon unberührt.
Schutzbestimmungen
Die einer Veranlagungsgemeinschaft zugeordneten Vermögenswerte bilden bei Konkurs der BV-Kasse eine Sondermasse. Weiters gehören die BV-Kassen als Sonderkreditinstitute der Anlegerentschädigungseinrichtung ihres jeweiligen Sektors an.
Steuerliche Begleitregelungen
Stand: Mai 2018
Autor: Mag. Dr. Klaus Mayr LL.M. ist Referent in der Kammer für Arbeiter und Angestellte OÖ (Abt. Kompetenzzentrum Betriebliche Interessenvertretung), Mitglied der Selbstverwaltung der OÖ GKK, Lektor der Universitäten Linz & Wien, Fachkundiger Laienrichter beim OGH.