Mindestgehalt im Jobinserat: Zwischen Pflichterfüllung und Personalmarketing
Pflichtangaben im Stelleninserat
Auf Jobsuche interessiert Bewerber natürlich auch eines: Wie viel werde ich verdienen? 2011 sollte eine Neuerung im Zuge des Gleichbehandlungsgesetzes für mehr Klarheit sorgen: Gehaltsangaben wurden im Stelleninserat Pflicht, wenn das Einkommen nicht durch Kollektivvertrag, Satzung oder Tarif geregelt ist. Ob und wie sich Arbeitgeber an diese Regelung halten, untersucht die auf Vertriebspositionen spezialisierte Personalberatung Xenagos seitdem in regelmäßigen Abständen. Dazu wurden im Juli im Rahmen einer Stichprobenanalyse 100 Online- und Printanzeigen ausgewertet. Das Ergebnis: Langsam zeichnet sich mehr Transparenz ab – und Unternehmen erkennen den Marketingwert einer realistischen Gehaltsangabe.
Gehalt nach Kollektivvertrag – oder darf’s ein bisschen mehr sein?
„Bezahlung laut Kollektivvertrag, Bereitschaft zur Überzahlung.“ Diese Formulierung findet sich in vielen Stelleninseraten wieder, wie groß der Verhandlungsspielraum dann tatsächlich ist, darüber sagt das allerdings wenig aus.
„Top-Leute lockt man nicht mit der Nennung des Mindestgehalts laut Kollektivvertrag.“
2013, ein Jahr nach Einführung der Verwaltungsstrafe bei Nichtangabe des Mindestgehalts, fand sich die Angabe des KV-Gehaltes plus Überzahlungsbereitschaft noch in mehr als jedem dritten Inserat, das von Xenagos analysiert wurde. Mittlerweile ist dieser Wert auf 20 Prozent gesunken. Haben Arbeitgeber realisiert, dass diese Angabe bei Jobsuchenden wenig Begeisterung hervorruft? „Unternehmen haben erkannt, dass sie Top-Leute durch reine Nennung des KV-Mindestgehalts nicht locken können. Ganz im Gegenteil, sie verschrecken sie damit. Im Besonderen bei hochqualifizierten Stellen, denn da ist die Kluft zwischen KV Mindestlohn und marktüblichem Gehalt besonders groß“, meint Xenagos-Geschäftsführer Stefan Siedler.
Gehaltsangabe: Keine Bürde, sondern Marketingchance
Bereits im Jobinserat ein möglichst realistisches Gehalt zu nennen, rührt für den Arbeitgeber also die Werbetrommel. Auch wenn das Gehalt bei der Entscheidung für oder wider einen Arbeitgeber nicht immer oberste Priorität hat: Ein attraktives Einkommen in der Stellenanzeige ist ein starkes Personalmarketinginstrument. „Wir nehmen dies als eindeutigen Trend wahr. Gute Mitarbeiter zu finden, wird immer schwieriger. Deshalb haben auch immer mehr Unternehmen erkannt, dass sie aus dem vermeintlichen Übel der Gehaltsangabe auch eine Tugend machen können“, erklärt Siedler.
Führungskräfte rekrutieren
Der Trend zur realistischen Gehaltsangabe macht sich daher auch besonders bei der Suche nach Führungskräften bezahlt. 2013 wurde bei Ausschreibungen für Jobs mit Führungsverantwortung noch zu 38 Prozent auf die Angabe des kollektivvertraglichen Mindestgehalts zurückgegriffen. 2015 sieht die Sache schon anders aus. Auf dem Vormarsch ist die Angabe eines fixen Gehalts, kombiniert mit der Bereitschaft, auch mehr zu bezahlen.
Auch bei der Rekrutierung von Mitarbeitern, die keine Führungsaufgaben übernehmen, setzt sich der konkrete Gehaltswert gegen das KV-Gehalt allmählich durch. Auf einen einzigen, fixen Wert legen sich Arbeitgeber aber nicht fest. „Aus praktischer Sicht ist das nachvollziehbar, denn das exakte Gehaltsangebot wird auf die individuelle Qualifikation des neuen Mitarbeiters letztendlich angepasst“, sagt Siedler.
Angabe einer Gehaltsbandbreite für Arbeitgeber uninteressant
Was sich viele Jobsuchende wünschen würden, stößt bei Arbeitgebern offensichtlich auf wenig Gegenliebe: Die Angabe einer Gehaltsbandbreite um schon vor der Bewerbung zu sehen, wo man sich zwischen Mindestgehalt und höchster Forderung bewegen kann. „Bei der Bandbreite haben Firmen wohl Angst, sich für Gehaltsverhandlungen zu sehr in die Karten schauen zu lassen. Die Bandbreite wäre aber der noch deutlichere Schritt in Richtung Transparenz. Wenn man sich die Studienergebnisse der letzten Jahre ansieht, dürfte dieser aber in absehbarer Zeit nicht kommen. Wir werden das aber weiter beobachten“, sagt Studienautor Siedler.
Positives Detail am Rande: 92 Prozent der Unternehmen halten sich an die gesetzliche Vorgabe und nennen im Inserat ein Mindestgehalt. Bei den übrigen 8 Prozent handelt es sich in der vorliegenden Stichprobenanalyse überwiegend um ausländische Unternehmen, die in Österreich ausschreiben.
Das wünschen sich Bewerber vom Jobinserat
Dass sich Bewerber Infos zum Gehalt wünschen, ging auch aus der im Frühjahr durchgeführten Studie von karriere.at und Marketagent.com hervor. Neben der genauen Tätigkeitsbeschreibung schätzen sie auch Infos zum Einkommen.
Das Gehalt findet sich laut Studie auch im Ranking der Gründe, die Interessierte von einer Bewerbung bei einem speziellen Arbeitgeber abhalten würden: 29 Prozent der Jobsuchenden nehmen von einer Bewerbung Abstand, wenn das angegebene Gehalt nicht ihren Vorstellungen entspricht. Ein guter Grund, realistische Gehaltsmöglichkeiten bereits im Inserat zu kommunizieren.
Weiterführende Informationen
- Richtlinien für Arbeitgeber: Gehaltsangabe im Stelleninserat, inklusive Leitfaden zum Download
- Mindestgehalt 2014 – Unrealistische Angaben schrecken Bewerber ab
Bildnachweis: Dooder / Shutterstock, Xenagos (Grafiken)